Das Kreuz am Acker
nicht. Es war eine Weile still, und nur seine schweren Atemzüge und das Ticken der Wanduhr gaben Laut.
»Franzi, leg dich nieder«, bat sie.
Da fuhr er wieder aus seinem Brüten hoch: »Agerl! Dirndl, du glaubst nicht, wie schlecht die Welt ist!«
»Geh, was hast denn! Gell, jetzt gehst ins Bett!« Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn hoch. Seufzend ließ er sich von ihr willig die Joppe ausziehen.
»Komm jetzt! Schau, die Bäuerin könnt dich hören«, flüsterte sie und führte ihn zur Türe. Sie brachte ihn auch noch über die Stiege und in seine Kammer.
Er warf sich auf das Bett und kehrte das Gesicht der Wand zu. Leise schlich die Agatha sich wieder in die Stube zurück, löschte das Licht und versperrte die Haustüre.
»Leg dich schlafen, Harro. Bist ein braver Hund«, streichelte sie noch den treuen Hüter, der sich am Fuße der Bodenstiege hingelegt hatte. Dann ging auch sie in ihre Kammer.
In der folgenden Woche schaffte der junge Ranklhofer wie narrisch, spannte schon am frühen Morgen die Pferde, von denen eines immer noch etwas lahmte, an den Schlitten und fuhr das vom Berg gebrachte Holz zum Stegmüller. Dort schnarchte in einem Holzschuppen ein einziges Sägegatter und schnitt die Blöcher zu Brettern und Bauholz. Er fuhrwerkte bis in die Dunkelheit hinein und ging dann nach der Abendsuppe gleich zu Bett. Gab nur kurze und mürrische Antworten und wich allen Fragen der Mutter, was ihm denn fehle, aus.
Am Sonntag, der dieser Woche folgte, verließ er den Hof nicht.
Beim Dorfwirt fand die erste Gemeinderatssitzung des neuen Gemeinderates statt. Es waren die alten Räte, nur ein Einöder aus einem Nachbartal war dazugekommen.
»Der Schwaiger ist steinalt geworden in diesem Winter«, bemerkte der ödbauer zu seinem Tischnachbarn, während sie eine Prise Schnupftabak tauschten.
»Seit ihn halt der Gaul geschlagen hat. Da ist ihm etwas geblieben«, bestätigte der andere. Breit in den Sessel zurückgelehnt, saß der Kramer, ein spöttisches und überlegenes Lächeln im feisten Gesicht, und schien sich ausschließlich seiner Virginia zu widmen.
Dann eröffnete der neue Bürgermeister die Sitzung und dankte für das Vertrauen, das man ihm bewiesen habe. Er wolle für die Gemeinde tun, was er könne. Seine Rede war in einem einzigen Satz gesagt, und er ging gleich zu den Punkten der Tagesordnung über.
Der Pfarrer berichtete, daß der Hetscher nunmehr wieder anständig wohnen könne und auch seine festen Plätze habe, wo er als Kostgeher wenigstens ein anständiges Essen erhalte. Allerdings dringe der Hauptwachtmeister Braun immer noch darauf, den Mann in eine Anstalt einzuweisen, da er früher oder später doch einmal gemeingefährlich werden könnte. Der Schwaiger wartete erst gar nicht, ob sich die anderen dazu äußern wollten, sondern lehnte es gleich schroff ab:
»Die Gemeinde kann sich das net leisten. Wir lassen uns vom Gendarmen nichts vorschreiben und wissen selber, was wir zu tun haben. Wenn es wirklich einmal sein sollte, daß der harmlose Hetscher zu spinnen anfängt, kann man wieder drüber reden.«
Mit einem hinterhältigen Grinsen saß der Kramer und saugte am Stumpen seiner ausgegangenen Virginia. Kalt blitzten ihn die grauen Augen des Bürgermeisters an.
»Bist du anderer Meinung, Kramer? Oder hast du das Geld, das man dafür ausgeben müßte?«
»Hab ich nicht, aber das Häusel herrichten hat auch ein schönes Geld gekostet. Um diese Summe hätte man den Hetscher schon für eine schöne Weile in der Anstalt versorgen können«, gab der Kramer bedächtig zurück und lauerte die Runde ab, ob er nicht bei einem der Bauern Zustimmung fände. Die aber brachten diesem Wortgeplänkel kein Interesse entgegen, denn durch Zustimmung zu solchen Ausgaben konnte leicht die Gemeindeumlage erhöht werden müssen.
»Man kann das Häusel des Hetscher auch nicht einfallen lassen, und die ganze Gemeinde ist dem Bürgermeister für die Hilfe, die er dem armen Mann hat angedeihen lassen, zu Dank verpflichtet«, betonte der Pfarrer.
Der Schwaiger saß, den Blick auf die Akten vor sich geheftet.
»Im übrigen ist das meine Sache, und ich erwarte dafür keinen Dank«, beschloß er diesen Punkt.
Wegen des Straßenbaus berichtete er weiter, seien die Vorarbeiten so weit, daß man beginnen könne, sobald der Schnee weggegangen sei. Die genaue Straßenführung sei aber noch endgültig festzulegen. Er habe der Ranklhoferin den Acker sowieso abgetauscht und somit erleide diese keinen Schaden.
»Da
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