Das Kreuz der Kinder
wird auch noch zu reden sein.«
Damit löste sich die Runde auf, und der Chevalier und
Fakhr ed-Din kehrten zur Residenz des Großwesirs
zurück, wo man sich reisefertig machte. Auch Ezer
Melchsedek und seine Frau Miriam entschieden sich – in
Absprache mit Abdal –, bereits jetzt nach Kairo zu reisen,
wo sie ein Landhaus bei Gizeh besaßen, direkt im
Angesicht der Pyramiden. Es schien vernünftiger, Ezer,
der das Ohr des Großwesirs besaß, vor Ort zu wissen, so
daß er unliebsame Entscheidungen rechtzeitig
beeinflussen konnte.
»Machen wir uns nichts vor«, grummelte der Hafside.
»Solange Wesir und Sultan sich zu keiner Lösung
durchgerungen haben, stehen wir praktisch unter
Hausarrest!«
»Die Gastlichkeit Eurer vier Wände läßt mich dieses
Schicksal als erträglich empfinden«, scherzte Rik und wies
auf den Blick, den die Villa über Stadt und Hafen bot.
Doch das entschädigte den Hafsiden mitnichten.
»Ich hasse es, wenn man mich an die Kette zu legen
versucht! Aber –.«, er seufzte tief, »›mitgehangen,
mitgegangen!‹, wie man bei euch sagt –.«
Karim wollte sich nicht von Miriam trennen, die ihm im
Verlauf der Reise wie eine Mutter geworden war, eine
Zuwendung und auch Zufluchtsmöglichkeit, die der
Knabe nie recht erfahren hatte, denn seine Amme Ma’Moa
hatte ihn zwar stets rührend umhegt, jeden Wunsch von
den Augen abgelesen, aber ihm nie ein ›Nein‹
entgegengesetzt. Miriam ließ ihm hingegen keineswegs
stets seinen Willen.
»Es ist klüger, Karim, der Hof des Sultans empfindet
mich wieder als das Weib an der Seite des klugen
Melchsedek, als daß ich hier bleibe und dann gemeinsam
mit euch und der Chronik auftrete –.«
»Du willst nur nicht mit mir in einen Topf geworfen
werden!« empörte sich der Knabe, den Tränen nahe.
»Ganz gewiß nicht!« hielt Miriam unbeirrt dagegen.
»Sonst kann ich dich ja nicht herausfischen!«
Das Bild leuchtete Karim ein, schließlich war er sich
seiner Stellung als Geisel bewußt – und auch stolz darauf.
»Eine Geisel ist nur lebendig was wert«, gab er seine
Einstellung zum Besten, »– und nicht gekocht!«
»Das entspräche auch nicht dem Speisezettel des
Sultans!« tröstete ihn Abdal schmunzelnd, und so konnten
Ezer und seine Frau sich verabschieden.
Timdal sprang für die abgereiste Miriam ein, was die
kleine Aisha äußerst belustigte, und das wiederum freute
den Mohren. Rik hockte mißmutig daneben, denn Abdal
ging grimmig im Hafen seinen Geschäften nach, indem er
seine eintreffenden und auslaufenden Schiffe genauestens
kontrollierte. Er hatte schließlich feststellen müssen, daß
der geflüchtete Saifallah tatsächlich auf einem seiner
Frachtsegler Alexandria unbehelligt verlassen hatte. Das
aufreibende Warten dauerte Wochen, bis endlich der
Kommandeur der Bahriden in der Villa erschien mit der
Order, der erhabene Großwesir verlange, Abdal und seine
Gäste ausnahmslos in Kairo zu sehen. Mit gemischten
Gefühlen, aber auch erleichtert, bestiegen sie die
bereitgestellte Nilbarke der Regierung.
Die Schlüssel von Jerusalem
Zum Empfang im Sultanspalast waren ausdrücklich nur
Abdal und der deutsche Ritter zugelassen. Der Chevalier
Armand de Treizeguet hatte bereits wieder seine
Heimreise nach Palermo angetreten. So blieben Karim,
Aisha und Timdal im Landhaus des Melchsedek am Nil
draußen in Gizeh unter der Obhut Miriams. Es empfing sie
in der Vorhalle des Audienzsaales der allzeit präsente
Fakhr ed-Din, zwei Schritte hinter ihm stand Ezer
Melchsedek. Der rührige Neffe instruierte die Delegation
aus Mahdia, daß sein Onkel – und auch er – die ›Chronik‹
nunmehr gelesen hätten: Sie bestätige zwar nicht
›expressis verbis et de facto‹ die angenommene These,
aber mit etwas Phantasie ließe sich der törichte Wahn, eine
Stadt verzückt ans Herz pressen zu wollen, herauslesen.
Noch während er dies mit gedämpfter Stimme vortrug,
wurde im Hintergrund die breite Prunkliege mit dem
Großwesir hereingetragen. Der kranke, alte Mann blieb
ihren Blicken verborgen, denn ein vor Fliegen und
Mücken schützender Baldachin aus feinstem Musselin
überdachte das Lager wie ein Zelt.
»Kurzum«, beendete Fakhr ed-Din seine Rede, »wir
sehen die Möglichkeit einer Kompensation: Der Kaiser
verzichtet auf die Durchführung seines Kreuzzugs, der
Sultan tritt Jerusalem ab!«
»Und das in streng auszuhandelnder Korrelation«, tönte
die Stimme aus dem weißen Zelt ziemlich barsch und auf
Abschluß
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