Das Kreuz der Kinder
Nachbarschaft der
herrscherlichen Residenz befindet.«
»Oder eher umgekehrt!« wandte sich der Vertraute des
Großwesirs heiter an Rik, den er sich von Abdal hatte
vorstellen lassen.
Timdal, der Mohr, war bereits den Sänften gefolgt, und
so begaben sich auch die Herren hinauf in die Hügel.
»Ich werde dann den Großwesir von Eurer Ankunft
benachrichtigen«, eröffnete Ezer, »denn ich nehme an, daß
der Emir von Mahdia seinen Sohn wegen dieser ebenso
brisanten wie hochinteressanten ›Chronik‹ geschickt hat,
die uns zwei recht fragwürdige Individuen überbracht
haben –.«
»Wo steckt dieser betrügerische Majordomus?«
verlangte Rik sofort zu wissen. »Habt Ihr ihn etwa laufen
lassen!?«
»Zehn Schritt geradeaus, vier zur Seite!« lachte Ezer.
»So groß ist etwa die vergitterte Kammer in der Kaserne
der Bahriden, die den westlichen Hafen bewachen. Dort
steht er unter Hausarrest, zusammen mit dem stinkenden
Ulama, der sich Saifallah nennt!«
»Eine beruhigende Nachricht!« grummelte der Hafside.
»Auf Euch, Ezer, ist noch stets Verlaß!«
Dieser dankte es ihm mit einer leichten Verbeugung.
»Die beiden bleiben zu unserer Verfügung, bis der
Großwesir geruht, die Lektüre zu beenden und – was noch
länger dauern kann – mit sich zu Rate gegangen ist, was er
davon zu halten hat.«
»Ich nehme an, Ihr werdet ihm dabei zu Diensten sein!«
Rik war ein erster Stein vom Herzen gefallen.
Schon am nächsten Abend erging an sie die Einladung,
sich im Palast des Großwesirs einzufinden. Karim wurde
von Miriam fein herausgeputzt, was dieser als völlig
überflüssig empfand. »Wenn’s nicht einmal der Sultan
selber ist –.«, nörgelte er herum, doch auch Rik hatte kein
Erbarmen.
»Du vertrittst deinen Vater, also zeig dich würdig!«
Auch Timdal durfte mit, sozusagen als Mitbringsel der
weitgereisten Sajidda Miriam, auf die ihr Mann schon
deswegen stolz war, daß sie in der ›Chronik‹ eine nicht
unwesentliche Rolle spielte.
Doch empfangen wurden sie von einem jungen Mann,
Fakhr ed-Din, dem Neffen des Großwesirs. Er
entschuldigte seinen Onkel, der bettlägrig sei und
deswegen nicht in Erscheinung treten könne. »Ich vertrete
ihn« – Fakhr ed-Din trat sehr selbstbewußt auf, aber seine
Offenheit nahm jeden sogleich für ihn ein, selbst Karim,
dessen anfängliche Widerborstigkeit in Wahrheit nur seine
Ängste verdecken sollte. Fakhr ed-Din hielt dem Knaben
als erster die Hand hin und sagte: »Ich bin ein Vetter
deines mutigen und tüchtigen Vaters.«
Damit hatte er sogleich Karims Herz gewonnen.
Es war aber noch ein anderer wichtiger Gast bei dem
Empfang zugegen: der Chevalier Armand de Treizeguet,
Sonderbotschafter des mittlerweile gekrönten Kaisers
Friedrich. Seine Gegenwart beunruhigte Rik van de
Bovenkamp, obgleich der Chevalier immer nur zu seinem
Besten in sein Leben eingegriffen hatte. Aber seine
Anwesenheit ließ auf schwerwiegende Probleme mit dem
Hof von Kairo schließen, die Gefahr eines Kreuzzugs
stand drohend mit ihm im Raum, auch wenn er mit Fakhr
ed-Din vertraulich scherzte.
Rik übergab steif und förmlich im Namen seines Herrn,
des Emirs Kazar Al-Mansur, den noch fehlenden Teil der
›Chronik‹, damit der hohe Herr Großwesir – »›Allah yati
assaha oua ’oumr taouil‹ – ein abschließendes Bild von
dem Kreuz der Kinder, ihrer Verblendung und
Unvernunft, ihrem Leiden und ihrem traurigen Los
gewinnen möge.«
Fakhr ed-Din lächelte gewinnend, reichte die dicke
Mappe etwas achtlos einem daneben stehendem Mussa’ad
weiter, besann sich aber rechtzeitig der unhöflichen Geste.
»Mein Onkel liest – trotz seiner Krankheit – Eure
Abenteuer mit großem Vergnügen«, erklärte er Rik,
»zeigen sie doch, wie einfach es ist, die Christen ins
Verderben zu locken, und wie leicht, sie glücklich zu
machen wie kleine Kinder.«
Rik fühlte sich gefordert, auch wenn der Blick des
Hafsiden ihn beschwor, die Sache auf sich beruhen zu
lassen. »Das hängt ganz von ihren Führern ab«, der
Deutsche vergewisserte sich der Aufmerksamkeit des
Chevaliers, »ein Heer von Kaiser Friedrich geführt, wird
kein leichtes Spiel für seine Feinde sein, sondern
Verderben über sie bringen –.«
Hier sah sich der Botschafter genötigt einzugreifen.
»Was aber keineswegs dem Wunsch des Kaisers
entspricht, der dem Islam mehr als offen gegenübersteht
und als Freund aller Muslime –!«
Fakhr ed-Din zeigte seine schneeweißen Zähne, fand
aber schnell sein
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