Das Kreuz der Kinder
gewinnendes Lächeln wieder. »Fragt sich
nur, wie man das eine, den absurden Kreuzzug, vermeidet
und zum andern die Freundschaft zwischen unseren
Völkern zum fruchtbaren Tragen bringt, kurz: Wie man
den Kaiser glücklich macht?«
In die spannungsgeladene Pause hinein krähte Karim:
»Schenkt ihm doch Jerusalem!«
Die Stille, die jetzt eintrat, war die ungläubigen Staunens
und zugleich einer ablehnenden Ratlosigkeit, doch Fakhr
ed-Din legte wie schützend seinen Arm um den Knaben,
was den ermunterte fortzufahren: »Alle Christenkinder,
meine liebe Mutter, mein guter Rik, hatten doch nur eines
im Sinn: das heilige Jerusalem!«
»Und woher weißt du das!?«
»Das steht doch in dieser Chronik –!«
Karim wandte sich, da er bei Rik keine Unterstützung
erwarten durfte, hilfesuchend an Timdal und Miriam. Der
Mohr grinste zwar zustimmend, und Miriam nickte heftig,
aber beide äußerten sich nicht, schließlich war der Mohr
kein Christ und Miriam Jüdin. Endlich – eingedenk seiner
Mission ermannte sich der Chevalier.
»Das mag wohl stimmen!« meinte er nachdenklich.
»Genau betrachtet, ist es vielleicht keine schlechte Idee!«
Fakhr ed-Din, der von dem Gesandten eine wesentlich
komplexere Verhandlungsführung erwartet hatte,
schüttelte erstaunt den Kopf. »Manchmal lehren uns
Kinder, wie einfach man mit schwerwiegenden Fragen
umgehen kann. Ich werde dem Großwesir ans Herz legen,
die ›Chronik‹ unter diesem Aspekt zu prüfen!«
Nach dieser unerwarteten Wendung begab man sich zu
Tisch. Rik überlegte gerade, wie er Karim zur Rede stellen
könnte, ohne daß sein Zögling sich in die Ecke gedrängt
fühlte, denn es interessierte ihn doch brennend, ja
beunruhigte ihn, wie und durch wen der Knabe an eine so
wesentliche Information aus dem abgeschirmten ›Saal der
Bücher‹ kommen konnte, die Quintessenz ihrer gesamten
Arbeit herausgefiltert zu einem Satz, der alles auf den
Punkt brachte: ›Die Sehnsucht nach Jerusalem!‹
Da traten zwei hohe Würdenträger an ihn heran. »Der
Großmächtige Herr Wesir, Al-Ouazir alqadir wünscht, den
Knaben zu sehen!«
Karim sprang sofort auf, zeigte nicht die geringste
Scheu, sondern folgte den beiden Höflingen mit vor Stolz
hochrotem Kopf.
Um Rik herum brodelten die Gespräche um die Ehre, die
dem Sohn des Kazar widerfahren; der Chevalier spottete,
er könne eigentlich heimwärts nach Sizilien segeln, denn
dieser muntere Knabe zeichne sich durch ein
Verhandlungsgeschick aus, das sein Bemühen überflüssig
erscheinen ließe. Miriam war vor Freude aufgeregt wie
eine Glucke über ein goldenes Ei, ihr Mann Ezer und
Abdal der Hafside machten sich über sie lustig und malten
sich gleichzeitig aus, wie dem Kaiser die Schlüssel zur
Heiligen Stadt feierlich zu überreichen seien – nur lange
bleiben sollte er dort möglichst nicht, da waren sich Jude
und Muslim einig, schließlich beherbergten die
ehrwürdigen Mauern außer dem Grab Christi auch noch
den Felsendom und den Tempelberg! Nur Rik machte sich
Sorgen, je länger der Knabe fortblieb, aber da erschien
Karim schon wieder mit einer schweren kostbaren Kette
um den Hals und strahlend: Er habe dem Großwesir eine
Stelle aus der Chronik vorlesen dürfen, die habe gerade
von dem Ring Friedrichs gehandelt, den er, Karim, in
seinem Besitz halte, aber das habe er dem Großwesir nicht
verraten!
Der Abend verlief ausgelassen und heiter. Spät in der
Nacht erst kehrte die kleine Gesellschaft, von
Fackelträgern geleitet, in die Villa des Hafsiden zurück.
Bereits am nächsten Tag statteten der Neffe – als Vertreter
des Großwesirs Fakhr ed-Din – und der Chevalier Armand
de Treizeguet, Botschafter des Kaisers, dem mächtigen
Hafsiden einen Gegenbesuch ab. Man traf sich im hoch
über Stadt und Hafen abseits gelegenen Pavillon des
Parks, zugegen waren auch Ezer Melchsedek, Statthalter
Abdals im Reich der Ayubiten und Vertrauter des
Großwesirs, sowie – auf ausdrücklichen Wunsch des
Chevaliers – Rik van de Bovenkamp. Frauen und Kinder
wurden von dem gut bewachten Tagungsort ferngehalten.
»Der eigentlich ›motor spiritus‹ eines neuerlichen
Kreuzzugs ist nicht mein Kaiser–«, eröffnete der Chevalier
die Gesprächsrunde, »sondern vielmehr der Papst. Der
hochbetagte Honorius III. will sein Pontifikat mit diesem
glorreichen Unternehmen krönen, um in die Geschichte als
der ›Pontifex maximus‹ einzugehen, welcher der
Christenheit ihre heiligen Stätten für immer und alle
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