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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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Ausdruck, »welche fürchterliche
Verwirrung der Gemüter hat das gesamte Abendland
heimgesucht? Wo bleibt der weise Geist Eurer Könige, wo
die vernünftige Anleitung zum rechten Glauben durch
Eure Priester?«
    Empört rang Kazar jetzt nach Worten für das Bild, das
ihm vor Augen stand. »Der Sheitan selbst muß Euch
geleitet haben, an Stelle Eures Christengottes getreten
sein, denn Allah, der Wahre und Einzige, ist solcher
Bosheiten nicht fähig!«
    Rik wußte darauf keine Antwort, aber Daniel hatte den
Mut. »So argumentieren bei uns die Ketzer, die behaupten,
daß der Gott der Schöpfung in Wahrheit der Demiurgos
sei, der das Licht in die Welt getragen habe, aber auch das
verheerende Feuer und die Versuchung zu erkennen,
welches die Wahrheit ist!«
»Zweifelt Ihr an der Erhabenheit Allahs?«
    Die Frage des Emirs konnte eine klare Bedrohung
bedeuten, denn hier hörte gewiß auch die Toleranz des
gläubigen Moslems auf.
    Daniel besann sich auf seine priesterliche Ausbildung.
»Ich sagte: So denken die Anhänger einer Häresie, die
Gott nicht als allmächtig, alles umfassend erkennen
wollen.«
»Welch gräßliches Leben ist den Christen beschieden!«
    Kazar war nicht gewillt, den Disput zu vertiefen. »Weil
sie die Größe des Einzigen nicht zu ertragen vermögen,
schieben sie ihm frevelhaft noch einen ›leiblichen‹ Sohn
unter, als habe – ich will es nicht aussprechen – als habe
Er einem Weibe beigewohnt…«
    »Das ist das Wunder der unbefleckten Empfängnis«,
mischte sich Irm heiter ein, die von allen unbemerkt in der
Hitze des Gefechts den Raum wieder betreten hatte. »Eine
Jungfrau gebiert Gottes Sohn…«
    »Also doch!« fauchte der Emir zwischen Hohn und
Entsetzen. »Ein Bastard! Ihr Christen seid alle des
Teufels!«
    Er verließ wütend die Bibliothek.
Rik hastete ihm nach. Kazar Al-Mansur ließ den Freund
hinter sich herlaufen, ohne sich nach ihm umzudrehen
oder das Wort an ihn zu richten. Verbissen schweigend
stapfte er die Wendeltreppe hoch, die zu dem
Arbeitsgemach führte, das direkt über der Bibliothek lag.
Im Flur davor gähnte das rechteckige Loch in der Decke,
über dem sich die Balkenkonstruktion befand, die den
Aufzugskorb gehalten hatte. Das dicke Tau, das über eine
Rolle zur Winde führte, lag aufgerollt neben dem
hölzernen Kasten, der die beiden Insassen beherbergt
hatte. Er mußte beim Aufprall völlig zertrümmert worden
sein, doch die Tischler hatten ihn – Splitter für Splitter –
wieder liebevoll zusammengeleimt. Eine solide Kiste,
vorn und oben offen und gut versteift. Über die gesamte
Breite der dem Gitterwerk zugewandten Front lief ein
breites Brett als Schreibunterlage, darüber hing ein
tönerner Kerzenhalter – ebenfalls wieder aus seinen
Bruchstücken völlig restauriert –, und vor der Rückwand
befand sich eine gepolsterte Bank.
»Ziemlich eng für zwei«, beendete Rik das auf dem
Unglücksort lastende Schweigen.
»Sie haben sich gehaßt!« entgegnete der Emir wie zu
seiner Entschuldigung. »Unser Moslah behauptet, der
Haqawati hätte geschworen, seinen Bruder umzubringen,
weil der sich so breit machte.«
»Und dann ist er selbst noch schnell in den Kasten
gesprungen«, höhnte Rik die Winde betrachtend,
»nachdem er den sichernden Widerhaken am Zahnrad
soweit gelockert hatte, daß das Seil ungebremst von der
Rolle lief?«
»Vielleicht hat Mustafa ihn mit sich gerissen –.«
Rik betrachtete längst argwöhnisch die Fettflecken auf
dem Kastenboden. »Was ist das? Doch wohl kaum
Kerzenwachs?«
Kazar bückte sich und strich mit dem Finger über die
dunklen Flecken. »Öl –.«
»Jemand hat –.«, schoß es Rik von der Zunge, ehe er
sich noch die gräßliche Situation richtig ausmalen konnte,
»von oben siedendes Öl auf die Wehrlosen –!«
Der Emir war erschrocken, aber sofort mit den einzig
möglichen Konsequenzen zur Hand. »Jetzt versteh’ ich
auch die Brandmale auf den Körpern der Unglücklichen –
Kopfhaut, Hals und Schultern waren mit wäßrigen Blasen
und garstigen Wunden übersät –.«, erinnerte er sich,
»einige auch bereits brandig entzündet. Also erlitten sie
die Qualen schon seit einiger Zeit.«
»Wer bediente die Winde?« wollte Rik wissen.
Der Emir wich aus. »Der einzige, der uns die Wahrheit
sagen könnte, ist tot –.«
Doch der Deutsche blieb hart. »Wem oblag die
Bedienung?«
»Den Kerl hat der Moslah davongejagt –.«, entrang sich
der Emir, »kraft seines Amtes als Al-Baouab

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