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Das Kreuz der Kinder

Das Kreuz der Kinder

Titel: Das Kreuz der Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Berling
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gleichermaßen
emporgehoben werden. So sorgt Daniel auch dafür – sich
selbst eine treue Hausmacht verschaffend –, daß Niklas
seine Haßtiraden gegen die Juden erst einmal hintanstellt
und sich der wartenden Menge als christlicher Kreuzfahrer
darbietet. Auch die Benutzung des mißverständlichen
Beinamens ›der Scharer‹ wird ab sofort von dem ›Legatus‹
untersagt. Daß er sich mit diesen Maßnahmen den Haß
Karl Ripkes zuzieht, muß Daniel in Kauf nehmen. Früher
oder später würde es ohnehin zur Auseinandersetzung
kommen, welchen Weg Niklas – und damit Tausende von
begierig folgenden Anhängern – blindlings Vertrauenden
und gläubig Suchenden nehmen sollten.
    Daß der Obrist ihm, dem Pfaffen, das Feld nicht
kampflos überlassen und daß diese Entscheidung bald
anstehen würde, vorangetrieben vom unaufhörlichen
Anwachsen der Menge, mag sich Daniel in seiner Naivität
nicht vorstellen. Da er Niklas die Reden nicht
aufschreiben kann, bemüht er sich, dem oft verstockten
und schnell wieder rückfälligen Kesselflickersohn die
Worte so in den Mund zu legen, daß dieser bald glaubt, er
habe immer schon von Jerusalem geschwärmt. Er malt
seinen Zuhörern die Wunder der heiligen Stadt Christi in
solch glühenden Farben aus, daß der Wunsch, sie zu
befreien, sie zu besitzen, immer festere Formen annimmt.
Immer wieder springen viele auf und fordern mit
begeisterter Stimme den sofortigen Aufbruch. Daniel
überläßt Karl Ripke die Ehre, den Abmarsch für den
nächsten Morgen zu verkünden.
    »Ihr spielt zwar nicht mit Eurem Leben«, sagte Rik in die
Stille hinein, die eingetreten war, kaum daß er die
Bibliothek wieder betreten hatte, »doch mit dem anderer!«
gedachte er der Opfer des Aufzuges. »Auch ist es wenig
rücksichtsvoll, einen Moslem mit bestimmten
Vorstellungen des christlichen Glaubens zu behelligen!«
    Seine Gefährten, die offensichtlich in der Zwischenzeit
ohne ihn die Chronik fortgeschrieben hatten, wirkten eher
aufsässig als schuldbewußt. Daniel schaute ihn fragend an,
ohne jedes Zeichen von Furcht. »Mein Leben liegt in
Gottes Hand – so lange er es mir gewährt.«
    Er lächelte schmallippig. »Darüber hinaus stehe ich
unter dem Schutz des Hafsiden, meines weltlichen Herrn!«
Rik ärgerte dieser Hochmut. »Das berechtigt Euch nicht
zu dieser Art von Schonungslosigkeit, die Ihr bisweilen an
den Tag legt!«
»Im Fall von Zweifeln, die Ihr nicht zu kennen scheint,
ziehe ich sie jeder Verlogenheit gegenüber meinem
eigenen Leben vor. Ihr, werter Rik, seid hingegen ein
Meister des Verdrängens geworden!«
Rik schwieg betroffen, so daß sich Irm gefordert sah.
»Die Beschäftigung mit der Vergangenheit, auf die wir
uns eingelassen haben, also unseres Tun und Lassens im
Verlauf der Ereignisse, die nun neun Jahre zurückliegen,
muß nicht in Selbstzerfleischung ausarten! Ihr habt kein
Recht, andere zu verletzen, die Ihr, Daniel –.«
Irms Stimme wurde jetzt hart und leise, »bei Bedarf –
jederzeit und beliebig – hintergangen habt.«
»Damals!« wandte der Secretarius geringschätzig ein.
»Damals wie heute!«
Irm blieb unerbittlich. »Daß Ihr hinter meinem Rücken
über mich herzieht, kann ich verkraften – und sogar
verstehen, bedenke ich Eure Herkunft, aber daß Ihr ein
ähnliches Spiel mit Madame Blanche treibt, der Ihr Dank
schuldet, wahrscheinlich sogar Euer Leben verdankt –.«
»Wenn Ihr«, damit wandte sich Daniel auch wieder an
Rik, »die Wahrheit nicht ertragt, dann kann ich ja gehen!«
»Halt!« sagte da Timdal, der bislang geschwiegen hatte,
die Auseinandersetzung aber amüsiert verfolgte. »Wir
sollten uns über die Spielregeln einigen: Es scheint mir
höchst weltfremd, von uns allen, die wir hier versammelt
sind, zu verlangen, daß keiner lügt, beschönigt, wegläßt
oder schlicht Lücken in der Erinnerung aufweist! Sonst
können wir gleich das ›Wahrheitsspiel‹ veranstalten!«
»Bloß das nicht!« blockte Irm den Vorschlag sofort ab.
Auch Daniel hob abwehrend die Hände. »Das würde
unweigerlich zu Mord und Totschlag führen!«
»Weit davon entfernt –.«, spottete der Mohr, »seid ihr
nicht! Aber selbst bei diesem Spiel wird die Unwahrheit
für bare Münze genommen – und letztlich gibt es nur
Verlierer!«
Irm und Daniel pflichteten ihm schweigend bei, was der
Mohr grinsend als Zustimmung einsackte. Nur Rik hatte
nichts von dieser raschen Verständigung unter Kennern
mitbekommen, er hatte auch noch nie

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