Das Kreuz der Kinder
»Ihr
habt zugesagt, Kazar Al-Mansur, daß ich mich auf meine
Geschichte ungestört konzentrieren könnte-?!«
Da keine Antwort mehr kam, nickte er Daniel, dem
Katib, auffordernd zu.
Der Königsritt
Bericht des Rik van de Bovenkamp
Auf dem einsamen Septimer-Paß hält Rik van de
Bovenkamp einen Tag lang Wache neben dem toten
Mu’allim – er wartet immer noch auf die Rückkehr seines
Freundes Oliver und dieser Elgaine d’Hautpoul. Doch
dann wird sein Pferd unruhig, so verläßt Rik endlich die
Grotte. Da es ihm zu mühselig ist, jetzt Steine zu
sammeln, um den Toten damit zu bedecken, verschließt er
lediglich hinter sich den Zugang zur Grotte, indem er die
freigelassene Öffnung in der Eismauer ebenfalls mit
Schnee verstopft. Dabei kommt ihm Assisi in den Sinn,
wo der Bruder Olivers dient. Vielleicht ist der Freund
schon über einen anderen Weg in den Süden längst
dorthin?? Und wenn nicht, dann könnte er, Rik, ja dort auf
ihn warten! Wäre dieses verdammte Weibsbild ihnen nicht
dazwischen gekommen, dann würden sie jetzt schon in
wohliger Wärme die müden Beine unter den Tisch des
Bischofs schieben und sich an dessen Wein ergötzen!
Schuld war eigentlich der Staufer, wäre der ihnen nicht
über den Weg gelaufen, wären sie vielleicht schon in Rom
– oder segelten gar auf einem Schiff übers Meer… Rik
fällt wehmütig die entschwundene Melusine wieder ein, er
seufzt tief, wirft einen letzten Blick auf den in seiner
dunklen Eiskammer aufgebahrten ›ustaht al malik‹. Ein
Gebet für den alten Lehrer will ihm nicht über die Lippen
kommen, er murmelt: »Im Namen des Königs!« und
verschließt rasch das noch freigelassene Loch. Bis zur
Schneeschmelze würde der Mu’allim dort in Frieden
ruhen. Rik steigt auf sein Pferd und reitet gen Italien.
In der Bibliothek von Mahdia waren Rik als Erzähler
sowie Daniel als Schreiber eigentlich von dem Pensum des
Tages bereits erschöpft – sie hatten sich ihre Müdigkeit
reichlich verdient, zumal ihnen Timdal ein verlockendes
Beispiel gab: Der kleine Mohr schnarchte zusammengesunken, den Haufen von unbeschriebenen Pergamenthäuten umarmend, die er eigentlich hätte glätten und
mit feinem Salz aufrauhen sollen. Aber Rik trieb es, die
Geschichte vom ›Königsritt‹ zum Ende zu bringen. Er
faßte sich knapp, schon weil alles, was er zu erzählen
hatte, aus zweiter Hand stammte, der wortkarge Oliver
hatte es ihm später berichtet, als sie sich endlich in Assisi
wiedersahen.
Der Königsritt
Bericht des Rik van de Bovenkamp
Friedrich gelang es, am nächsten Morgen in die Freie
Reichsstadt eingelassen zu werden, in der die für ihn so
bedeutungsvollen Insignien der deutschen Herrscherwürde
– Reichsapfel und Zepter – aufbewahrt wurden, während
sein Rivale Otto, der Welfenkaiser, auf der anderen Seite
des Bodensees wertvolle Zeit vertat. Als Otto schließlich
drei Stunden später eintrifft, steht er vor verschlossenen
Toren: Die Symbole königlicher Macht sind bereits dem
Staufer ausgehändigt worden. Selbst das üppige Festmahl,
das des Kaisers Leibköche vorbereitet hatten, wurde von
Friedrich und seinen hungrigen Weggefährten
verschlungen.
Von den Anwesenden unbemerkt, hatte der Emir durch
eine Seitentür in der Täfelung zwischen den hohen
Regalen die Sala al-Kutub betreten. Er stand plötzlich
hinter dem erschreckt auffahrenden Timdal.
»Wißt Ihr eigentlich, wessen Verhandlungsgeschick der
Staufer diesen hauchdünnen Vorsprung verdankte?« setzte
Kazar Al-Mansur freundlich hinzu und gab die Antwort
gleich selber. »Der neue Bischof hätte sich nie getraut,
wenn nicht Armand de Treizeguet ihm im Namen des
Papstes überzeugend und eloquent zugeredet hätte, wie
einem kranken Gaul!«
Rik ließ den Hausherrn gewähren, während Daniel, der
sich schon ein Ende seiner Tagesfron erhofft hatte,
seufzend seinen Federkiel aufs Neue eintunkte. »Euer
Freund Oliver beging den Leichtsinn – oder hatte er sich
in das Hoffräulein verliebt? –, sich verkleidet unter die
Dienerschaft zu mischen«, trumpfte der Emir mit
Detailwissen auf, »sonst wäre er ja weder in die Stadt
gelangt, noch hätte er an der ›Siegesfeier‹ teilnehmen
können.«
Rik hatte sich nie gefragt, woher Oliver diese
Einzelheiten wußte, ihn erstaunte nur, wieso der Emir
davon Kenntnis hatte und jetzt auch noch darauf drängte,
sie der Chronik anzuvertrauen.
Der Königsritt
Ergänzung des Emirs
Die Verkleidung Olivers war perfekt,
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