Das Kreuz der Kinder
er hatte sich die
höfische Tracht keck vom bischöflichen Majordomus
aushändigen lassen, der durch den gerade stattgefundenen
Seitenwechsel verunsichert war und Oliver für einen der
neuen Günstlinge hielt. Leider versagte sich der verliebte
Schüsselträger nicht, als Diener zu auffällig und
ungehörig, sich nach der schönen Dame Elgaine
d’Hautpoul durchzufragen, die doch für alle sichtbar mit
starrem Lächeln in König Friedrichs unmittelbarer
Reichweite saß. Einige der Herren aus Schwaben, obwohl
schon stark bezecht, erkannten ihn und prügelten ihn unter
allgemeinem Gejohle aus dem Festsaal, weil der dreiste
Franke es gewagt, dem König die Gefolgschaft zu
verweigern. Oliver konnte noch von Glück reden, daß der
schwäbische Hauptmann und seine Leute zu dem
Zeitpunkt schon so voll waren, daß sie nichts davon
mitbekamen, sie hätten ihn mit Freuden doch noch
aufgeknüpft, als gedungenen Meuchelmörder des
Welfenkaisers! Übrigens gleichlautend mit der Anklage,
vor der Armand de Treizeguet die junge Hofdame bewahrt
hatte. Elgaine d’Hautpoul saß starr an der erhöhten Tafel
des Königs und mußte alles mitansehen.
»Verratet mir, Kazar Al-Mansur –.«, unterbrach ihn hier
verärgert Rik, »ich will Euch ja glauben, daß Eure Spitzel
in Palermo jede Nadel zu Boden fallen hören, von den
Dolchen Eurer Assassinen ganz zu schweigen – doch zu
Konstanz wart Ihr weder anwesend noch vertreten?!«
Der Emir lächelte fein und schwieg.
»Das war’s für heute!« erklärte Daniel, seine letzte
Energie aufbietend. Sichtbar für alle wischte er seinen
Federkiel trocken und verschloß das Tintenfaß.
Es war spät geworden. Erholsam war diese Nacht für
jene, die am nächsten Morgen geruhsam ausschlafen
konnten, wie vom Hausherrn großmütig angeboten.
Andere – wie Rik – fanden nicht einmal dann Ruhe, als
schon der Morgen graute. Unruhig wälzte er sich auf
seinem Lager.
Das nachhaltige Eingreifen des Emirs am Vortag sollte
keineswegs allein dazu dienen, seinen Freund darauf
aufmerksam zu machen, daß er, Kazar Al-Mansur, auch
über Quellen verfügte, sondern vor allem signalisieren,
daß er nun dringlichst wünschte, den Weg der
französischen Kinder zu verfolgen, denn schließlich
befand sich Melusine, um die es ihm ging, mitten in
diesem Haufen, dem jetzt zu Marseille das Wunder des
sich teilenden Meeres versprochen war. Aus genau dem
gleichen Grund drückte sich Rik davor, mit dem Schicksal
der Angebetenen konfrontiert zu werden, zumal sich in der
Aufarbeitung seines bisherigen Verhaltens herauskristallisierte, daß er für die Erfüllung seines vorgeblichen
›Minnedienstes‹ eigentlich wenig unternommen, sich
letztlich der ›Dame seines Herzens‹ kaum würdig gezeigt
hatte.
Auf Geheiß des Emirs trugen Diener kostbare Teppiche,
Sitzkissen und allerlei Gerätschaften in die Sala al-Kutub
und begannen unter seiner persönlichen Aufsicht ein
hölzernes Podest damit auszustaffieren. Zum Schluß
spannten sie eine dicke Seidenkordel um das künstlich
geschaffene Geviert, was nur dazu dienen konnte, die
Anwesenden vom Betreten dieses Bezirks abzuhalten.
Kazar Al-Mansur sah sich veranlaßt, den aufkommenden
Unmut zu glätten.
»Wir werden alle zusammen dem Bericht des Alekos
lauschen«, erklärte er feierlich, »den ich deswegen selbst
noch nicht gelesen habe, um mit Euch –.«, er wandte sich
vor allem an Rik, »gemeinsam zu hören, was nun dort
geschah –.«
Er schaute sich fast hilfeheischend um, zumindest
erwartete der mächtige Herr von Mahdia ein Zeichen der
Zustimmung, wenigstens von den sonstigen Anwesenden.
Daniel nickte, Timdal verbeugte sich übertrieben, nur Rik
zeigte weiter sein Befremden, indem er beharrlich
schwieg. »Da Alekos, der Verfasser des Berichts, kein
ausgebildeter ›Haqawati‹ ist, schätze ich mich – und euch
desgleichen – glücklich, für diesen Abend eine
›Vorleserin‹, Eldjinn, eine echte ›Qaria‹ gewonnen zu
haben!«
Kazar Al-Mansur genoß die gelungene Überraschung,
gab sich aber geheimnisvoll, als Rik bemüht beiläufig
fragte, wer denn die geheimnisvolle ›Eldjinn‹ sei. Der
Emir überging die Frage, indem er das Gespräch auf
Karim, seinen Sohn brachte. »Wie gern hätte ich es
gesehen, wenn der Prinz an meiner Seite sitzen könnte,
doch auf Befragen des Alekos hin, muß ich auf diese
Vaterfreude verzichten, um sein unschuldiges Gemüt nicht
zu verstören – inch’allah!«
Rik hatte
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