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Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Scharf
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Türe, und ein junger Mann trat herein: „Herr Minister, es ist so weit, die Herren warten“, sagte der Bursche und blieb auf der Türschwelle stehen, dabei Van Buren respektvoll, aber auffordernd und erwartungsvoll ansehend. Dieser ließ sich in seiner Ruhe nicht beirren, legte bedächtig die Pfeife weg, die inzwischen aufgeraucht war, kramte ein Stofftaschentuch hervor, mit dem er sich ein wenig den Schweiß von der Stirn tupfte, zog schließlich noch den Krawattenknoten etwas zu, da er ihn großzügig zu lockern pflegte, wenn er in seinem Arbeitszimmer saß, und stand dann auf, dem jungen Mann zu folgen.

    Als er den Saal betrat, um seine Rechtfertigungsrede, die im Vorfeld als Anhörung bezeichnet worden war, zu beginnen, ließ sich aus einigen Ecken verhaltenes Murren vernehmen. Doch als er geendet hatte, da zollten ihm beinahe alle Parteifreunde stehenden Applaus, und er wußte sie nun sämtlich hinter sich. Das Werk war vollbracht.

    Wie war ihm das geglückt? Er hatte in seiner Ansprache ein Bild Neuseelands und der Welt skizziert, wie er es zum gegenwärtigen Zeitpunkt sah, dann hatte er von Neuseeland als dem neuen Europa, der künftigen Heimat aller Europäer gesprochen und damit seiner Vision eines Bollwerkes, das errichtet werden solle, Ausdruck gegeben; all seinen Neidern zum Trotz und dem europäischen Menschentum zum Schutz. Schließlich hatte er – nicht zuletzt auf das Schicksal Weiß-Südafrikas hinweisend – von der Not und dem Leid berichtet, das die Weißen weltweit erdulden müßten. Ihnen müsse eine Perspektive geboten werden zu dem trostlosen Dasein, das sie in seelenlosen, bunten Kommunen, die sie nicht mehr mit dem Wort Heimat in Verbindung brächten, fristeten. Diese Perspektive könne nur heißen: Neuseeland! Er beschwor die rassische und kulturelle Solidarität, betonte die gemeinsamen Wurzeln und das gemeinsame Erbe, welches zu erhalten das Gebot der Stunde sei, denn: „Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen!“
    „Was aber könnte zu erhalten wichtiger und hinzuwerfen schändlicher sein als das Blut, das in unseren Adern rinnt, meine Freunde? Blut, lassen wir uns das gesagt sein, ist dicker als Wasser!“ Die sporadisch vorhanden gewesenen Bedenken, es würden durch die Neusiedler Menschen aus Brot und Arbeit gedrängt werden, oder diese könnten auf Kosten des Staates ein Lotterleben führen,  wurden durch den – schon in der Ausarbeitung der Details befindlichen – Plan des Innenministers Alexander Buchanan, der Baumaßnahmen neuer Städte und Straßen, auf drei Jahre befristete Bewährungspässe für die Neuankömmlinge und umfangreiche Maßnahmen jedweder anderen Art vorsah, ad absurdum geführt. Van Buren war über die Einzelheiten des Planes wohl unterrichtet und zitierte die fraglichen Stellen frei aus dem Gedächtnis. Seine Angaben wurden durch das eifrige Kopfnicken Buchanans bestätigt, was großen Eindruck auf die zunächst unentschlossenen gewesenen Minister machte. Und er schloß mit den Worten: „So laßt uns das Gebäude denn errichten, meine Brüder - viribus unitis: mit vereinten Kräften!“

    Hendrik Nils Van Buren, wie er mit vollem Namen hieß, war nicht der einzige, der es im Exil zum Staatsmann großen Kalibers gebracht hatte – wenn man in seinem Fall von Exil sprechen konnte, denn in Südafrika ging die Anzahl der noch dort lebenden Weißen gegen Null. Es hatte auch einmal einen US-Präsidenten namens Martin Van Buren gegeben, welcher dieses Amt von 1837 bis 1841 innegehabt hatte, und an den der neuseeländische Außenminister oftmals mit einem Schmunzeln denken mußte, da er in seiner Politik so ganz anders verfahren war als er selbst. Zögerlich, unentschlossen und leicht beeinflußbar war er gewesen. Zumindest hatte ihm die Nachwelt diese Etikette angehängt. Welche Etikette würde sie für ihn, Hendrik N. Van Buren, bereithalten, sinnierte er dann stets – ohne daß ihn die Frage gequält hätte. Er wußte, daß er jetzt tun mußte, was er immer für richtig gehalten hatte, ganz gleich, in welcher Weise die Nachwelt oder die Umwelt darüber urteilen würden. Er mußte sich in letzter und erster Instanz vor sich selbst verantworten – und das konnte er.
    ♦

    Über dem Dart River, an dessen Mündung, oder genauer: an deren Ostufer, Kingswear gelegen ist, ging gerade die Sonne auf, als George Strafford durch die langsam erwachenden, aber noch ziemlich verschlafenen Gassen eilte, um frisches Brot beim Bäcker zu kaufen,

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