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Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman

Titel: Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Scharf
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immer beruhigend durchs Fell strich. „Katzen sind an Orte, an Häuser und Gärten gebunden, Hunde sind auf ihre Halter fixiert, nicht auf deren Dörfer, aber das weißt Du ja selbst“, fügte er etwas versöhnlicher, zumindest in einem sanfteren Ton, hinzu. Erik pflichtete ihm bei.

    „Hab ich euch schon einmal die Geschichte vom treuen Lord erzählt?“ fragte der Vater in die Runde. Sowohl die Mutter als auch der Sohn kannten diese Geschichte natürlich. Sie hatten sie schon viele Male vernommen, aber sie hörten sie immer wieder gern auf‘s neue, so daß sie beide schwiegen und Martin auffordernd ansahen.
    „Also gut, dann hört mal fein zu. Ich erzähle euch jetzt von einer Begebenheit, wie sie sich zugetragen hat und nicht anders. Ich werde die Geschichte so weitergeben, wie ich sie von meiner Großmutter gehört habe“, begann der Vater seine Erzählung. „Mein Urgroßvater, dein Ur-Urgroßvater“, wobei er seinen Sohn anblickte, „hatte einen großen Rüden mit Namen Lord, einen Bastard wohl aus Schäferhund und Dogge, welcher an Treue und Hingabe für sein Herrchen seinesgleichen suchte. Als eines kalten Morgens im März, der Schnee hatte gerade erst zu tauen begonnen, mein Urgroßvater eine Kutsche bestieg, um in selbiger nach Heidelberg zu fahren, von seinem Dorf nicht weniger als vierzig Kilometer entfernt, folgte das gute Tier dem Gespann mit etwas Abstand, von seinem Herrchen gänzlich unbemerkt. Als schließlich mein Urgroßvater – schon ganz in der Nähe Heidelbergs – mit einer Fähre über den Neckar setzte, da sprang der prächtige Rüde unerschrocken in die eisigen Fluten und überquerte schwimmend den Strom. Erst als sich sein Lord am andern Ufer des Flusses das nasse Fell schüttelte, da wurde der Mann seines besten Freundes gewahr. Zunächst dachte er an eine verblüffende Ähnlichkeit, denn der Hund stand auf einem Felsen etwa hundertfünfzig Meter flußabwärts, wohin ihn die Strömung getrieben hatte, doch als dieser zur Kutsche und zu seinem Herrchen sich trottend in Bewegung setzte, erstarb in dem stolzen Besitzer jeder Zweifel… Einige Wochen darauf starb der treue Lord an einer Lungenentzündung, die er sich mit größter Wahrscheinlichkeit durch die Flußüberqerung zugezogen hatte.“ Das war nun also die ganze Geschichte vom treuen Lord, welche sich auch tatsächlich so zugetragen hatte, wenn man der längst verblichenen Großmutter Martin Bühlers hatte Glauben schenken können, woran gemeinhin kein Zweifel bestand.

    Es wurde an diesem Abend entschieden, den treuen Hund der Familie mitzunehmen, es also mit dem Reeder und der neuseeländischen Einwanderungsbehörde darauf ankommen zu lassen. Erik sollte am nächsten Tag gleich eine gewaltige Menge Hundefutter kaufen, eine Ration, die auf Monate hin reichen würde, den vierbeinigen Gefährten vor dem Hungertod zu bewahren.
    ♦

    „Willkommen an Bord der ‚Samantha II‘, ich heiße Patrick Fitzgerald, bin der Kapitän des Schiffes und, wenn Sie so wollen, für Ihre sichere Überfahrt zuständig. Ich freue mich sehr, sie alle hier herzlich willkommen zu heißen“, begrüßte der irische Kapitän die ersten an Bord gekommenen Passagiere in recht gutem Deutsch. Patrick Ryan Fitzgerald, wie er mit vollem Namen hieß, stand kurz vor dem Eintritt ins Rentenalter, aber er war noch von rascher Auffassungsgabe und äußerst flink, wenn es darauf ankam. Was die Statur anging, war er von mittlerem Wuchs, hatte breite Schultern und war auch um Bauch und Hüften etwas stämmig geraten, weshalb er trotz seiner ein Meter und sechsundsiebzig geradezu untersetzt wirkte. Wie es sich für einen Kapitän der alten Schule geziemte, trug er einen Vollbart, der – bis auf den leuchtend roten Schnurrbart, welcher einem jeden sofort ins Auge fallen mußte – sich vollends weiß ausnahm. Seine drolligen kleinen grünen Augen blinzelten lebhaft, wenn er sprach oder wenn ihn etwas stark beschäftigte. Aber um diese Äugelein zogen sich Lachfalten, die von einer fröhlichen Natur zeugten. Und in der Tat war Fitzgerald ein gerechter, stets zu Scherzen aufgelegter Kapitän, welchen die Mannschaft liebte und auch die Passagiere aufgrund seiner ungezwungenen, sympathischen Art bald ins Herz geschlossen haben würden.

    Zu den ersten an Bord eingetroffenen Passagieren gehörten auch die Bühlers, welche die Familie Träubele und die alte Jungfer Brunner – gleichsam wie an einem Schlepptau – hinter sich hergezogen hatten. Die ‚Samantha II‘,

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