Das Kreuz des Südens - Exodus aus Europa. Ein Zukunftsroman
mehr zu machen.“
„Aber Du hast Dir doch nichts zuschulden kommen lassen, Liebling, oder etwa…?“ „Natürlich nicht!“ fiel ihr Mann ihr ins Wort.
„Warum können die Dich dann einfach so rausschmeißen? Du arbeitest ja nicht erst seit gestern in der Firma!“
„Ich konnte es ja selbst kaum glauben: fünfzehn Jahre rackere ich mich jetzt schon ab in Jims Betrieb – und er wirft mich einfach raus. Hat jetzt so einen Paki eingestellt, der meinen Job machen soll. Der Kerl kennt keine Pflanze, aber er arbeitet für die Hälfte…“
„Das ist ja unerhört! Eine Frechheit ist das!“
„Ich hätte es kommen sehen müssen: Rick und Mikel sind vor einem halben Jahr schon vor die Tür gesetzt worden. Jim sagt, ich solle es ihm nicht übel nehmen, aber die Zeiten würden härter, und der Preiskampf bringe ihn selbst an den Rand des Ruins.“
Susan stand von ihrem Stuhl auf und setzte sich neben George, der seinen Platz auf der Eckbank hatte. Sie nahm seine Hand und sagte beschwichtigend: „Vielleicht ist das aber auch die Chance, auf die Du gewartet hast. Du wolltest Dich doch schon seit Jahren selbständig machen, George, nicht wahr?“
„Sich jetzt selbständig machen zu wollen, wäre eine einzige Verschwendung von Zeit, Geld und Energie, die es kosten würde. In dieser Situation als neuer Mitbewerber einzusteigen, wäre Wahnsinn. Ich würde nicht im geringsten Fuß fassen können. Der Markt ist ja ohnehin schon total überlaufen, auch ohne mich, wie Du hörst.“
Statt zu antworten, stieß seine Herzensdame einen tiefen Seufzer aus und drückte seine Hand, die sie in ihrer hielt, fester. Traurig und schweigend saß sie da, neben ihrem Mann, der heute seine Arbeit verloren hatte, die er doch so sehr liebte. Nach etwa fünf Minuten, die sie so gesessen hatten, hellte sich ihr Gesicht jedoch ganz unversehens auf, als habe sie eine plötzliche Eingebung gehabt. Sie sprang auf und eilte in die Küche. Dabei plapperte sie zusammenhangslos von Neuseeland, einer neuen Regierung und Möglichkeiten. George konnte sich im Augenblick noch keinen Reim daraus machen und sah ihr deshalb verwundert nach, ohne jedoch ein Wort zu sagen. Vielleicht war er auch einfach zu verdattert, als daß er etwas hätte entgegnen können.
Susan kam bald wieder aus der Küche ins Wohnzimmer gelaufen, einen Fetzen Papier schwenkend und dabei strahlend, als halte sie einen Scheck über eine halbe Million Pfund in Händen. Sie war augenscheinlich voller Euphorie und sagte: „Diesen Artikel hatte ich heute morgen schon für Dich ausgeschnitten. Stell Dir vor: die kürzlich in Neuseeland gewählte Partei hat allen Weißen, die arbeitswillig sind, Aufnahme in Aussicht gestellt! – Lies selbst!“
„Bitte was? Zeig her, Liebling!“ rief Mr. Strafford und streckte die Hand aus, um den seltsamen Papierfetzen entgegenzunehmen, um den seine Frau so viel Aufhebens machte. Er las laut die Überschrift: „Eklat in Wellington – Neuseeland auf bestem Weg in die Apartheid“. Nun folgten nur noch einzelne Wortfetzen und abgerissene Sätze, die er laut sprach, wie etwa: „Außenminister Van Buren brüskiert andere Staaten mit seiner Aufforderung…“, „skandalöse Rede hat weltweit für Empörung gesorgt…“, „die Weltgemeinschaft…“, „Sanktionen zu beratschlagen…“ Er las den Artikel einmal, überflog ihn ein zweites Mal kopfschüttelnd und las ihn schließlich noch ein drittes Mal aufmerksam durch. Dann erst blickte er auf zu seiner Frau, die noch immer genauso dastand wie in dem Moment, in welchem er dieses Stückchen Zeitung aus ihren sanften Händen empfangen hatte. Sie blickte ihn voller Neugier an und wartete auf das, was er sagen würde, nachdem er den Artikel gelesen und verstanden hatte. „Wenn das stimmt, was hier steht, dann…“
„Dann?“ fragte Susan lächelnd.
„Dann wird es Zeit für einen Neuanfang, würde ich sagen.“
„Ich wußte es“, strahlte sie, hängte dann allerdings ein zögerliches „Aber die Kinder…“ an, welches einem Einwand oder Zweifel gleichkam, den George prompt mit: „Tom und Scarlett werden es verkraften, da bin ich sicher!“ auszuräumen suchte. „Wenn uns die Auswanderung und der Neuanfang dort unten glücken, dann war meine Kündigung tatsächlich die große Chance, auf die ich gewartet habe, Liebling“, sagte er mit einem Augenzwinkern, stand auf, umarmte sie und küßte ihre Stirn.
♦
Es war ein kleines, verqualmtes Zimmer, in dem sich der
Weitere Kostenlose Bücher