Das Kreuz des Zitronenkraemers
haben die Originale dabei und nicht irgendwelche Kopien!“
„Hannes!“, rief Anne aus der Ecke, „Gib ihm die Papiere nicht! Er wird uns alle umbringen!“
„Ruhe auf den billigen Plätzen!“, bestimmte der Entführer. Hektisch fuchtelte er mit seiner Pistole vor Hannes Nase herum. „Wo sind nun die Dokumente?“ Er bemerkte Hannes angewiderten Blick auf Andreas Steinmetz. „Haben Sie den Schmuck zufällig auch dabei? Dann können Sie den Herrn dort auch gleich mitnehmen“, sagte er sarkastisch.
„Der Schmuck landet wahrscheinlich gerade in Föhren“, log Hannes. „Die Papiere liegen in meinem Wagen!“
„Gut, sehr gut. Hat mein nettes Päckchen doch etwas bewirkt! Hat ja auch lange genug gedauert!“ Er sprang auf und nestelte aus seiner Tasche einige Kabelbinder. „Los, binden Sie Ihre Freundin damit an der Kette von dem netten jungen Herrn dort fest! Dann werden wir beide eine kleine Reise zu Ihnen nach Hause machen, um auf Frau Steinmetz und ihre Fracht zu warten!“
Hannes tat wie befohlen. Sorgsam führte er das feste Plastikband durch eines der Glieder der Kette, an der auch Andreas angebunden hing. Er stank erbärmlich. „Verzeih mir Anne“, betete Hannes innerlich, als er den Kabelbinder mit einem kräftigen Ruck festzog. Sie sollte nicht die Möglichkeit haben, ihnen zu folgen. Hier drin war es vorerst sicherer als gleich draußen.
„Sehr ordentlich!“, lobte der ältere Mann grinsend. Wachsam verfolgte er Hannes Arbeit. Der Entführer hatte sich etwas beruhigt. Offensichtlich sah er sich schon beim Polieren der Schmuckstücke.
„Dann dürfen Sie sich jetzt von ihrer Geliebten verabschieden!“, erlaubte er Hannes großzügig.
„Hannes, gib ihm nichts!“, flehte Anne leise mit eindringlichem Blick. Tränen liefen über ihre Wangen.
„Doch, Anne. Er wird das bekommen, was ihm zusteht!“, antwortete Hannes. Damit meinte er allerdings alles andere als den Schmuck.
„Können wir gehen?“, fragte Hannes.
„Sehr gerne. Nach Ihnen!“ Er wies Richtung Ausgang. „Komm Paula!“, rief Hannes seiner Hündin zu, die auf der stinkenden Matratze neben Anne lag.
„Der Hund bleibt hier!“, sagte der Mann scharf. „Er kann Ihrer Freundin Gesellschaft leisten.“
„Paula, bleib!“, befahl Hannes also und ging Richtung Ausgang. Deutlich spürte er den Mündungslauf in seinem Rücken.
Hannes schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Hoffentlich war Peter gut vorbereitet.
Endlich erblickte er den Ausgang. Das gleißende Sonnenlicht schien in den dunklen Gang. Langsam trat Hannes ins Freie. Die Sonne blendete.
„Wo ist Ihr Auto?“, fragte der Begleiter und trat neben ihn. In diesem Moment sauste ein schwerer Weinbergspfahl auf sein lockiges Haupt hinab. Blut spritzte. Röchelnd ging er zu Boden.
„Danke, Peter“, keuchte Hannes. Er hatte wohl hinter dem Stolleneingang gestanden und den besten Moment abgepasst.
„Gern geschehen!“, antwortete er und bückte sich, um die Pistole an sich zu nehmen.
„Ach, nein. Wen haben wir denn da? Das ist doch der nette Herr Schönemann!“, rief er überrascht aus. Neugierig betrachtete Hannes seinen Gegner. Das Blut quoll pulsierend aus einer riesigen Platzwunde am Kopf und lief über seine Wange. Er rührte sich nicht. Offensichtlich war er bewusstlos. Nun erkannte Hannes ihn. Erst letzten Sommer hatte er Hannes Birnen zum Brennen gebracht. Er besaß eine kleine Streuobstwiese in der Nähe des Zitronenkreuzes.
„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Peter. „Ist dieser Herr Steinmetz auch da drin, oder müssen wir diese Witzfigur noch zu dir nach Hause bringen?“
„Das ist Gott sei Dank nicht nötig“, antwortete Hannes erleichtert und drückte ihm sein Handy in die Hand. „Informier du die Polizei und am besten einen Notarzt. Ich kümmere mich in der Zwischenzeit um Anne und Andreas.“
Geradezu fröhlich lief Hannes in den dunklen Stollengang zurück.
*
Anne zerrte wie eine Verrückte an dem verdammten Plastikband. Es gab keinen Millimeter nach. Hannes hatte so fest gezogen wie er nur konnte. Weinend und zitternd vor Wut und Angst gab sie schließlich auf. Hannes, dieser verdammte Idiot. Durch welche Meisterleistung er es auch immer geschafft hatte, sie hier zu finden, was er sich eben geleistet hatte, war ja wohl der blanke Hohn schlechthin.
Warum hatte er nicht nur so tun können, als hätte er sie gefesselt? Dann hätte sie fliehen und ihm helfen können. Nun saß sie auf dieser schimmeligen Matratze
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