Das Kreuz des Zitronenkraemers
verziehen, kippte sie die goldfarbene Flüssigkeit in sich hinein. „Kann ich noch einen?“, fragte sie und hielt Peter ihr leeres Glas hin.
Eine Stunde später lag Hannes in seinem Bett. Irgendwie brauchten sie jetzt doch alle Ruhe. Peter hatte sich in seinen Wohnbereich verzogen, die Flasche Wermut hatte er sicherheitshalber mitgenommen. Anne lag auf einer Liege im Garten und döste. Claire hatte Hannes Bad blockiert und verschwendete eine Unmenge an Wasser. Offensichtlich gehörte sie zu der Gattung Dauerduscher. Das ständige Rauschen lullte Hannes schließlich in einen tiefen Schlaf.
Erst Stunden später erwachte er. Paula stand winselnd vor seinem Bett. Es war bereits dunkel. Der arme Hund, sicherlich hatte er ein dringendes Bedürfnis. Langsam ging Hannes die Treppen hinunter und ließ Paula in den Garten. Es war seltsam still im Haus. Wo war Anne? Und Claire? In der Küche fand er die Antwort auf einem Zettel.
Lieber Hannes!
Vielen Dank für alles. Anne wird mich gleich ins Krankenhaus fahren. Sie meldet sich morgen bei dir. Die Ärzte haben die OP bei Andreas wegen Komplikationen abgebrochen. Er wird wohl in ein anderes Krankenhaus mit spezieller Handchirurgie verlegt werden. Natürlich werde ich ihn begleiten. Sobald einiges klarer ist, werde ich mich bei dir melden.
Sei nicht böse über mein schnelles Verschwinden.
Wir sehen uns,
Claire
P.S.: Gib Paula was zu fressen, sie scheint schrecklich hungrig zu sein. Habe kein Hundefutter gefunden.
Hannes schüttelte den Kopf. Die hat ja Nerven, dachte er und blickte auf den Futternapf in der Ecke. Er war tatsächlich leer. Paula war inzwischen wieder bei ihm und blickte ihn erwartungsvoll an. „Komm Mädel, dann sollst du mal was zum Fressen bekommen“, sagte er und griff nach der Edelstahlschüssel. Zwei weitere Zettel lagen darunter.
Beim Lesen wurde Hannes bleich. Schön mit Anne teilen! Hab kein besseres Versteck gefunden! Danke für alles
Der zweite „Zettel“ war ein Barscheck über 100 000 Euro.
Kapitel 21
Hannes konnte kaum glauben, dass es wirklich wahr war. Aber Anne saß tatsächlich neben ihm in der kleinen Wartehalle am Flughafen Hahn. Das Gepäck war schon aufgegeben und sie warteten auf ihren Aufruf.
Anne schien sehr nervös. Ständig fingerte sie an ihrem Handgepäck herum, kontrollierte mit den Fingern ihre Frisur oder las zum hundertsten Mal ihre Boarding Karte. Offensichtlich wusste sie nicht, wo sie mit ihren Händen hin sollte. Sie sprach kein Wort.
Auch Hannes war vor Aufregung ganz aus dem Häuschen. Er sah auf die Uhr. Noch ungefähr eine halbe Stunde, und die Boeing, die sie vorhin durch die große Fensterfront in der Cafeteria im oberen Stockwerk gesehen hatten, würde mit ihnen an Bord Richtung Mailand abheben.
Von dort aus ging’s dann mit dem Bus zum Comer See. Anne hatte ein kleines Hotel in Como ausgesucht. Die Frage, die Hannes am meisten beschäftigte war, ob Anne wohl ein Doppelzimmer gebucht hatte. Aber er traute sich nicht, zu fragen.
Wenn er an heute Nacht dachte, wurde ihm angst und bange. Aber ein romantisches Hotel direkt am See, ein Abendessen mit Kerzenschein. Wer weiß, was alles passieren konnte. Hannes hatte keine Vorstellung, was Anne von ihm erwarten würde.
Dieser kleine Urlaub war Annes Idee. Sie meinte, ein Ortswechsel würde ihnen beiden sicher gut tun. Dann hätten sie die Zeit und den Abstand, die letzten Wochen zu verarbeiten.
Und was sollte aus ihnen werden? Waren sie nun eigentlich wieder ein Paar oder nicht? Hannes konnte dieses Hin und Her nicht mehr aushalten.
„Sag mal“, unterbrach Anne endlich das derzeitige Schweigegelübde, „weißt du, was mir immer noch nicht klar ist?“ „Meinst du die Art und Weise unserer Beziehung?“, fragte Hannes hoffnungsfroh. Endlich schien auch Anne darüber reden zu wollen. „Quatsch“, zerstörte sie unwirsch diese Illusion, „ich meine, woher wusste Schönemann eigentlich, dass Bernd Steinmetz an diesem Morgen am Zitronenkreuz sein würde? Je mehr ich darüber nachdenke, umso verworrener erscheint mir die ganze Geschichte.“
„Er wusste es von Gritzfeld“, klärte Hannes Anne auf und setze seine Ausführungen fort, als er Annes jetzt noch verwirrteren Gesichtsausdruck sah.
„Es ist so. Schönemann hat Grundbesitz im Revier.“ „Seine Obstplantage!“, rief Anne dazwischen. „Genau. Es ist üblich, die Grundstücksbesitzer des Reviers von Grenzveränderungen oder Pächterwechsel oder was auch immer zu
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