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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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Blick nach hinten; im gleichen Augenblick brach O’Brien mit unterdrücktem Aufschrei zusammen.
    »Ihr übrigen macht euch besser fit, und zwar dalli«, sagte der Sergeant warnend und ließ die Rekruten in strammer Haltung stehen.
    »Helft mir doch auf!« flehte O’Brien. Niemand wagte sich zu rühren. »So helft mir doch! Ich glaube, mir ist etwas gebrochen!«
    Bruce konnte sich nicht helfen: ein solcher Bursche war nur zu verachten.
    Nach einem Frühstück, dessen einzige Würze im allgemeinen Appetit bestand, kamen die jungen Soldaten in einem großen Saal zusammen, wo sie eine Prüfung durchmachen mußten. Bruce hatte das Gefühl, recht gut abgeschnitten zu haben, wenn er sich auch bei einer arithmetischen Aufgabe nicht allzu wohl fühl te. Als er hinterher zwei andere Rekruten nach ihren Ergebnissen fragte, stellte sich heraus, daß alle drei zu verschiedenen Resultaten gekommen waren.
    Mehr passierte an diesem ersten Tag nicht, außer daß man nach dem Abendessen die unerlaubte Abwesenheit dreier Rekruten feststellte. Es schien unwahrscheinlich, daß sie Fort Candler verlassen hatten, da eine hohe elektrisch abgesicherte Betonmauer das gan ze Gelände umgab und sämtliche Ausgänge gut bewacht waren.
    Am nächsten Morgen verkündete ihnen der Serge ant, sie wären ein fürchterlicher Haufen Homos. Sie wären verweichlicht – weich wie der Kot eines kranken Kaninchens. Aber die Armee würde sie schon zu harten Kerlen machen, nicht wahr?
    Jawohl.
    Der Sergeant glaubte einen Spatzenfurz gehört zu haben.
    Jawohl !
    Vielleicht sollte der Sergeant eine Sammlung veranstalten und sich ein Hörgerät kaufen.
    JAWOHL!
    Wieder ließ sie der Sergeant Haltung annehmen, und auch heute hatte er es auf O’Brien abgesehen, der diesmal im vierten Glied stand. Er fand schnell einen Vorwand, wieder tätlich zu werden. O’Brien brach nach dem zweiten Schlag in die Knie, doch diesmal befahl der Sergeant zwei anderen Rekruten, ihm aufzuhelfen. Wimmernd versuchte O’Brien davonzukriechen. Der Sergeant packte ihn am Kragen seines Baumwoll-Sporthemdes und riß es am Rücken auf, als er den Jungen hochzerrte. So standen sie einen Augenblick wie ein Tableau, reglos bis auf O’Briens zitternde dicke Beine. Der Sergeant hob die Faust. In Erwartung des Schlages begann O’Brien zu weinen und flehte um Gnade. »Ich bin verletzt!« schluchzte er. »Ich habe innere Verletzungen.« Bruce und die anderen Rekruten fanden dieses Verhalten schandbar.
    Der Sergeant schlug den Jungen nur noch einmal, allerdings recht fest, und ging dann leise lachend da von, wobei er in gespielter Verzweiflung den Kopf schüttel te. O’Brien lag noch immer bewußtlos mit dem Gesicht nach unten am Boden, als die Kompanie zur Morgenuntersuchung marschierte.
    Wie auf einem Förderband wurden sie durch die Untersuchungsbaracke geschleust und nacheinander betupft und geimpft und beklopft und gekniffen und getestet. Bruce vermochte einen Schmerzensschrei zu unterdrücken, als ihm ein Corporal des Medizinischen Korps eine Nadel in den Daumen stieß, um eine Blutprobe zu entnehmen. Er hatte Blutgruppe 0.
    Am Nachmittag warteten die Rekruten in strammer Haltung vor einem gelben Gebäude (alle Gebäude in Fort Candler waren gelb und hatten grüne Schindeldächer), in dem sie nach Einlaß Photographien wurden und ihren Armeeausweis ausgehändigt bekamen. Au ßer dem wurden hier metallene Erkennungsmarken ge prägt, die sie stets um den Hals tragen mußten. Die Marken hatten eine seltsame Kerbe an einem Ende, und einer der Schreibstuben-Offiziere erklärte, daß diese Öffnung dazu bestimmt war, die Marke an den oberen Zähnen eines Gefallenen festzuhalten. Bruce hatte noch nie etwas an einer Kette um den Hals getragen, und den ganzen Tag über spürte er das kalte Metall, das ihm verstohlen über die Brust strich.
    Am Abend hörte Bruce in der Baracke jemand sa gen: »Weißt du, ich hab’s mir schlimmer vorgestellt.« Und ein anderer erwiderte: »Es wird noch schlimmer.«
     
    Am dritten Tag erhielten die Rekruten ihre Uniformen und sonstige Ausrüstung. Zunächst einen Segeltuch sack und dann – wenn auch nicht in dieser Reihenfolge – Arbeitshosen, Arbeitshemden, Arbeitsjacken, Arbeitsmützen, Stiefel, Unterhosen, Unterhemden, Socken, einen Wetterumhang, Decken, Feldflasche mit Deckel und Becher, einen Spaten, ein Eßgeschirr, ein Helmband, eine Feldausrüstung, eine Gasmaske, Lederhandschuhe mit Wollfutter und so weiter. Die Männer kehrten mit schweren Beuteln in

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