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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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auflodernden Flammen, »das ist wenigstens ein richtiges Feuer.«
    Obwohl Bruce Berwyn im Grunde ein gläubiger Methodist war, hatte er kein religiöses Leben geführt. Er vertrat einige recht feste Überzeugungen, auf die er sich einiges einbildete, aber sie zeichneten sich nicht durch Besonderheit aus. Er war weder sehr klein noch sehr groß, weder sehr dick noch sehr dünn. Er konnte ganz gut sehen und hatte einen Intelligenzquotienten von 106. Er war kein Bettnässer und blieb von entsetzlichen Alpträumen verschont. Er hatte einmal Rauschgift genommen (Marihuana, weiter nichts), was er jedoch auf dem Musterungsbogen nicht angegeben hatte. Ihm und auch seinen Bekannten war niemals der Gedanke gekommen, daß er nicht als 1-A eingestuft werden könnte, und diese Annahme hatte sich dann auch bestätigt.
    Seit dem Augenblick, da er überhaupt an eine Zukunft zu denken begann, war ihm die Notwendigkeit des Wehrdienstes stets gegenwärtig gewesen, so daß er ihn jetzt nicht als Unterbrechung, sondern als Teil – und im Augenblick fast als Definition seines natürlichen Lebenslaufes ansah. Nach der Armee wollte er sich eine gute Stellung suchen, heiraten, Kinder haben, ein Haus bauen, sich zur Ruhe setzen und dann einfach das Leben genießen. So machten es die Leute, und so würde er es auch tun.
    Außerdem schuldete er es seinem Lande. Wie Bruce sehr wohl wußte, genoß ein Bürger nicht nur Rechte, sondern trug auch eine Verantwortung, er hatte nicht nur Privilegien, sondern auch Pflichten.
     
    Der Armeedienst ist Pflicht und Privileg. Jeder einzelne Bürger dieser Nation hat die Pflicht, nach besten Kräften zum Wohlergehen der Nation und ihrer Individuen beizutragen. Seit den Uranfängen gilt es als Privileg, zur Verteidigung seines Volkes Waffen zu tragen. Dieses Privileg wird nur solchen Menschen zuteil, die einen guten Ruf genießen.
    Aus: Leitfaden für den Soldaten,
    Armee-Handbuch, AH 21-13
     
    Niemand konnte sagen, daß Bruce keinen guten Ruf genoß. Also: die Armee.
     
    Bruce, der in seinem Leben noch nie geflogen war, stellte erfreut fest, daß er in einem Flugzeug nach Fort Candler gebracht werden sollte. Der Offizier, der die Rekruten im Gerichtsgebäude eingeschworen hatte, begleitete sie nicht an Bord der Maschine, so daß Bru ces erste Berührung mit dem Armeeleben nicht angenehmer hätte verlaufen können. Der Flug dauerte nur siebzig Minuten, doch in dieser Zeit freundete er sich bereits mit vier anderen Einberufenen an. Man erzählte sich fröhliche Anekdoten über den Widersinn und die Mü hen des Armeelebens, vorwiegend aber über den Wider sinn. Ein junger Mann hatte einen Bruder in der regulären Armee, der dort als aktiver Soldat Karriere machte. Er diente in einem Zug, der unbedingt das wöchentlich an die sauberste Gruppe vergebene Fähnchen gewinnen wollte. Der ganze Zug schrubbte und polierte freitags die Gewehre bis spät in die Nacht, aber da alle anderen Kompanien das gleiche taten, blieb die Anerkennung für diese Mühen aus. Die Männer mußten in Sachen Sauberkeit etwas Einzigartiges vollbringen. Sie kamen schließlich auf folgenden Streich: Jeder leerte eine Tu be Zahnpasta und füllte sie mit schnelltrocknendem Zement; wenn der Zement fest geworden war, wurde die Farbe abgekratzt, die Tube mit Kupferfarbe angestrichen und poliert, bis sie schimmerte wie die Messingknöpfe an den Jackettaufschlägen. In der ersten Woche gewann der Zug das Fähnchen, aber schon zur nächsten Inspektion hatten alle Züge des Regiments den Trick übernommen. Diese Anekdote beruhigte Bruce und die anderen Rekruten, belegte sie doch außer vielen anderen lehrreichen Dingen die Tatsache, daß die Armee im Grunde eine Art Spiel war. Man mußte nur die Regeln lernen, und alles war gut. Allerdings wurden diese Regeln manchmal ziemlich willkürlich ausgelegt. Man durfte nur nicht aus dem Tritt kommen. Wenn es einem gelang, das ganze Armeeleben etwas aus der Distanz zu betrachten, machte es vielleicht sogar Spaß.
    Gleichwohl erlitt beim Verlassen des Flugzeugs einer der Rekruten, der sich beim Anekdotenerzählen am lebhaftesten hervorgetan hatte, eine Art hysterischen Anfall und sank ohnmächtig zu Boden. Das warf natürlich einen Schatten auf die ganze Empfangszeremonie.
    Die Rekruten wurden zur Weiterbeförderung nach Fort Candler in einen Bus verfrachtet, in dem ein fetter, schweigsamer Master Sergeant die Aufsicht führte. Es war die Zeit des Sonnenuntergangs. Der Master Sergeant gab seine Befehle in

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