Das Kriegsbuch
nun hier im Dreck ab wie in einem alten Kriegsfilm, damit die Mägen der Zivis nicht aufgestört werden.
Und kümmern sich die Zivis noch darum? Sie wissen nur, daß sie von den Empees in Ruhe gelassen werden und daß wir jetzt aus irgendeinem Grunde, für den niemand eine wirkliche Erklärung anbietet, recht erfolgreich gegen sie vorgehen. Die Zivis nennen die Komischen Kaninchen immer ›Empees‹, aber von zehn Leuten weiß vielleicht nur einer, daß ›Empee‹ von ›M. P.‹ kommt, und die da oben sorgen schon dafür, daß kein Zivilist unter dem Range des Verteidigungsministers die Bedeutung der beiden Buchstaben kennt. Was so ziemlich der einzige Aspekt des Krieges ist, der meine Lieblingstheorie nicht bestätigt – daß es nämlich über den Sergeants nur Schimpansen gibt.
Und da muß mich der Junge natürlich sofort fragen: »Was ist denn das Geheimnis?«
»Ich geb’s auf, Junge. Sag du’s mir.«
»Ich meine die Geheimwaffe. Alle sagen, wir hätten eine Geheimwaffe – seit dem letzten Jahr, als wir zu siegen anfingen. Wie sieht die Geheimwaffe aus, Sergeant?«
Ich bemühe mich um Haltung. Ich deute auf das automatische Gewehr des Jungen, das wenigstens zu funktionieren scheint. »Da hast du sie in der Hand, Junge«, sage ich. »Morgen früh hetzen wir alle den Hügel da hinauf. Dabei darfst du nur daran denken, daß du weiterrennst, was auch immer geschieht, und ich meine es ernst: was auch immer geschieht. Umkehren gibt es nicht. Das ist die Geheimwaffe – ein Gewehr am Ende von zwei Beinen. Und es gibt kein Ausrücken. Wenn du kehrtmachst, jage ich dir eine Kugel in den Kopf, verstanden?«
Er scheint wirklich zu begreifen. Natürlich erschieße ich nicht jeden Pimpf, der den Schwanz zwischen die Beine kneift. Wenn ich das täte, müßte ich etwa zwei Kompanien in der Woche erschießen, im Durchschnitt gerechnet. Aber beim erstenmal ist es meistens am schlimmsten – der erste Angriff, bei dem ein Zivi zum Soldaten wird. Ich denke mir, daß sie vielleicht eine bessere Chance haben, wenn ich ihnen mehr Angst vor mir einbläuen kann, als sie vor dem haben, was mit ihnen passiert. Und manchmal funktioniert es.
Ganz früh am nächsten Morgen geht es los den Berg hinauf. Natürlich haben wir auf das Frühstück verzichtet und unsere Därme und Blasen so gut wie möglich entleert. Ich behalte den Jungen in meiner Nähe und versuche möglichst grimmig auszusehen.
Wir haben gerade zwanzig Meter zurückgelegt, als die Empees aufwachen und mit ihrem Kotzbomben-Beschuß anfangen. Meine Leute sind inzwischen so ziemlich an das trockene Würgen gewöhnt; so stolpern wir zuckend weiter und kommen dabei ganz gut durch das Gas. Dem Jungen fällt das noch ziemlich schwer, aber er behält die Übersicht und feuert sogar ab und zu mit seinem automatischen Gewehr, damit er auch wie ein Soldat aussieht. Ich will ihn schon ermahnen, nicht soviel Munition zu verschwenden, aber dann überlege ich mir, daß er ruhig ein paar Serien verknallen kann, wenn ihn das am Laufen und bei der Stange hält.
Wir kämpfen uns durch das Kotzgas, das natürlich nur ein Vorgeschmack ist, und dann legen die Burschen richtig los. Blasenpulver, Darmdonner, Juckstrahlen, Froster – so ziemlich alle leichteren Sachen, die sie haben. Schon machen ein paar Jungen nicht mehr mit, vordringlich die, die schon zu lange dabei sind und sowieso schon etwas nervös wurden.
Ich werfe einen Blick auf den Jungen, um festzustellen, ob er gemerkt hat, daß ich die Umkehrer nicht erschieße, aber er ist viel zu sehr mit seinem eigenen Würgen und Kratzen und Zittern beschäftigt, um irgend etwas wahrzunehmen. Trotzdem rennt er noch in die richtige Richtung und feuert dabei wild um sich. An dem Jungen ist was dran.
Naja, wir sind halb den Hügel hinauf, und die Ausfallquote sieht gar nicht mal schlecht aus – mehr als die Hälfte von uns sind noch im Angriff. Jetzt sehen wir die Oberkanten der Empee-Bunker, die eigentlich nur aus Stahlwänden mit Raketenstartschienen, Strahlenköpfen und Gasdüsen bestehen. Und jeder Bunker hat eine große Luke; die Burschen sind unter der Erde.
Jetzt fahren sie erstmals die schweren Geschütze auf.
Zuerst das Aphrogas. Haben sie jemals zu kämpfen versucht, während sie andauernd an Frauen denken mußten, während sie sie förmlich vor sich spürten? Es war, als käme man in eine mexikanische Grenzstadt nach zehn Jahren Einzelhaft. Ja, Aphrogas und dann die Panikpillen.
Ich kratze mich und kreische und spüre
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