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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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würde nie wieder zögern. Jeder Augenblick würde eine Entscheidung bringen. Jede seiner künftigen Handlungen würde herabfallen wie ein Sandkorn in einem alten Stundenglas, unvermeidlich.
    Tiefe Erregung ergriff von ihm Besitz. Die Szene, die ihn umgab, schwoll an, bis er im Zentrum einer riesigen, unheilvoll gebannten Menschenmenge zu stehen schien, die die ganze Galaxis ausfüllte. Die Gesichter seiner Freunde waren ganz nahe, erwartungsvoll und zuversichtlich. Und in weiter Ferne, als ob die Sterne selbst seine Züge als neue Konstellation auf schwarzem Hintergrund hervortreten ließen, glaubte er sein Gesicht zu sehen, das ihn anstarrte, bleich, mit hohlen Schädelaugen, und unstillbar hungrig.

IM KANINCHENLOCH
 
von Norman Spinrad
     
     
    Wir hatten uns hübsch eingebuddelt am Fuße einer langen, sanft ansteigenden Hügelkette, deren Kamm von sechs Empee-Bunkern bewacht wurde, allerdings nur ziemlich spärlich. Der Krieg ging schon langsam zu Ende, und alle wußten, daß es mit den Empees aus war, aber die großen Tiere wollten den Zivilisten noch nichts verraten. Wir wußten, daß die Hügelkette praktisch alles war, was die Empees noch zwischen uns und ihrer letzten Konzentration in diesem Teil des Staates halten konnten, und morgen früh wollten wir die auch noch stürmen. Ganz oben hatte man endlich mitbekommen, daß Nachtangriffe nicht mehr zumutbar waren.
    Und da kommt jetzt der Junge zu uns nach vorn, Barkers Ersatz, gerade als sich die Empees oben auf dem Kamm entschließen, uns mit ein paar Kotzbom ben zu bepflastern. Der Junge sieht die vier Raketen dick und faul auf uns zukommen, und er begreift sofort – oder bildet sich das jedenfalls ein. Ohne »Guten Morgen« oder wenigstens »Hallo, Sergeant« zu sagen, schmeißt er sich mit dem Gesicht nach unten in den Dreck hinter mir. Da der Wind in unsere Richtung steht, haben die Empees die Kotzbomben natürlich kurz gezielt, und das grüne Gas wallt langsam auf uns zu. Wir haben etwa noch eine Minute, vielleicht auch zwei.
    Der Junge hebt sein schmutzverkrustetes Gesicht und sagt: »Die haben uns verfehlt, was, Sergeant?«
    »Hast du schon gegessen, Junge?«
    »Wieso, ja, danke, Sergeant, ich …«
    »Dein Pech«, kann ich gerade noch sagen, da schlägt das Darmgas zu – schweres grünes Zeug, das auf Hautberührung reagiert, so daß Masken sinnlos sind, und wir sind viel zu sehr damit beschäftigt, zu würgen und uns zu erbrechen, um das Gespräch fortzusetzen.
    Ein paar Burschen aus dem Zug versäumen es trotz allem nie, zu den Empee-Stellungen hochzuballern, wenn die etwas auf uns loslassen. Aber die Komischen Kaninchen haben sich eingegraben, und wenn das Gas sich so weit verzogen hat, daß sich mir nicht mehr der Magen umdreht, dann kriegen die Hitzköpfe wegen der verschwendeten Munition eins drauf. Was sie aber nicht davon abhalten wird, beim nächsten Kotzangriff das gleiche zu tun. Es gibt Leute, die alles so verdammt persönlich nehmen.
    Naja, der Junge wischt sich jetzt den meisten Dreck ab, und man kann deutlich sehen, daß er sich schon wie ein alter Hase vorkommt. »Wann kaschen wir uns mal ein paar Empees?« fragt er und legt in seine Stim me ein Feuer, mit dem er mich zu beeindrucken hofft.
    »Du kannst dich zunächst mal vorschriftsmäßig melden, Soldat«, schlage ich vor. Ich habe von früh bis spät die Micky-Mäuse hier am Hals und bin zu ausgelaugt, um die volle Sergeant-Show abzuziehen.
    Da sagt er mir nun, er sei Gefreiter Tolan, und ich sage ihm, wie sehr ich mich über sein Hiersein freue. Wie jeder Ersatzmann, den wir in der letzten Zeit kriegen, kommt der Junge geradewegs aus der Oberschule, und wie alle Zivilisten weiß er praktisch gar nichts von dem Krieg, der hier überall im Gange ist. Allenfalls ist den Zivis bekannt, daß etwa vor zwei Jahren die grünen Typen von irgendeiner Welt Tau Ceti aufkreuzten, sage und schreibe in richtigen fliegenden Untertassen. Eine richtige Invasion aus dem Weltall, wie in all den Filmen. Naja, zunächst rennen sie jede Armee über den Haufen und erobern die Hälfte der guten alten terra firma. Schließlich setzen wir auch die dicken Sachen ein, sogar H-Bomben, woraufhin die Burschen erst richtig unangenehm werden. Nach jedem atomaren Angriff werden drei Städte mit ausreichenden Mengen Kotzgas überschüttet. Schließlich begreifen die hohen Tiere, was das soll: die Komischen Kaninchen werden die Zivis in Ruhe lassen, wenn wir dagegen auf nukleare Waffen verzichten. So plagen wir uns

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