Das Kriegsbuch
Schmutz, und auch sein Bart und seine Haare waren dreckverfilzt. Er hatte eine Nase, die vor seinem Gesicht stand, als wäre sie ihm einmal breitgeschlagen worden. Er überragte die anderen Mitglieder seiner Bande um einen halben Kopf und schien stark genug zu sein, seine Kumpanen in die Tasche zu stecken.
Da Saura nicht wußte, was sie tun sollte, blieb sie vor ihm stehen und blickte zu Boden. Gleich darauf wurde Verie von Knifeson hereingestoßen. Er lachte, als sie über eine lockere Diele stolperte und fast gefal len wäre, und versetzte ihr noch einen Stoß. »Schau dir an, was ich gefunden habe«, sagte er.
Verie richtete sich auf und blickte abwechselnd King und Knifeson an. Saura war stolz auf ihre Toch ter; sie mochte Angst haben, aber sie sah den Männern in die Augen. Verie trug Wollkleidung wie Saura und hatte ein sauberes Gesicht. Saura ballte angstvoll die Fäuste.
»Wie heißt du?« fragte King.
»Verie«, sagte sie leise; ihre Stimme zitterte etwas.
Ein entsetzlicher Schrei tönte von draußen herein. Saura erstarrte bei dem Geräusch und sah zu Verie hinüber. Sie versuchte sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen, aber an Veries Blick erkannte sie, daß sich ihre Tochter ebenfalls fürchtete. Saura hörte die beiden Männer sprechen und lachen. Knifeson grinste vor sich hin. Saura musterte ihn kurz. Er war dick und untersetzt. Irgendwie fürchtete sie ihn mehr als die anderen. Sie ließ ihren Blick wieder zu King hinübergleiten, der die Geräusche nicht zu hören schien. Jay und Longpole platzten herein. Longpole, ein kleiner dünner Mann, hielt die Sau an einem Hinterbein. Saura stöhnte innerlich auf. Das Tier war noch jung und mager, und sie hatten damit eine Zucht anfangen wollen. Die beiden Männer hatten dem Tier den Bauch aufgeschlitzt und es ausgeweidet. »Hier ist was zu essen«, sagte Longpole. Aus dem halbgeöffneten Maul des Schweins tropfte Blut auf den Fußboden.
»Wo kochst du?« wandte sich King an Saura.
Stirnrunzelnd überlegte Saura, wie ein Bandenführer nur so dumm fragen konnte. »Im Herd«, sagte sie.
Er zuckte die Achseln. »Laßt sie kochen«, sagte er und nickte zu Verie hinüber. Longpole ließ das tote Schwein zu dem Mädchen hinüberschwingen und schlug es damit fast zu Boden. Die vier lachten, Knifeson am lautesten.
Verie nahm das Schwein und versuchte es von sich abzuhalten. »Wie soll ich das kochen?«
»Laß mich helfen«, sagte Saura leise. Sie nahm Verie das Schwein ab und schob es vor sich her auf den Herd zu. Saura wollte nicht, daß Veries Angst jetzt offenkundig wurde. Es war nicht abzusehen, was die Bande tun würde, wenn sie sie für ängstlich hielt. Angst veränderte die Tiere, und Saura befürchtete, daß sich auch die Männer davon beeinflussen ließen.
»Laß die Haut dran«, sagte King. »Ich mag das Fleisch gern saftig.«
Saura sah ihn an, ohne etwas zu sagen. Sie hatte schon mehrere Banden erlebt, und sie wußte, was sie zu erwarten hatte. Aber damals war Verie noch sehr klein gewesen. Sie schob das Schwein kurzerhand in den Herd und schloß die Tür. Für Weed hätte sie das Tier nicht so gebraten, aber die Bande wußte es sicher nicht besser. Wenn Weed ein Tier gejagt hatte, schlachtete er es nach allen Regeln der Kunst und ließ sie nur stückweise davon essen, damit sie länger etwas davon hatten. Saura flüsterte Verie zu: »Du darfst nur das Nötigste mit ihnen sprechen. Und tu, was sie dir befehlen.« Sie überlegte, was sie noch sagen könnte, aber ihr wollte nichts einfallen. Sie wünschte, sie hätte noch etwas Beruhigendes hinzuzufügen, aber solange die Bande blieb, war das unmöglich. Und es ließ sich noch nicht einmal sagen, wie länge der Aufenthalt überhaupt dauern würde. Kurz nachdem Weed und sie den Bauernhof gefunden hatten, war eine Bande einen ganzen Monat geblieben. Die Narben hatte sie heute noch – sie verdrängte die Erinnerung aus ihren Gedanken und schauderte zusammen. Was sollte sie sagen?
»Was ist das für einer?« flüsterte Verie und deutete auf Alice.
»Eine Mißgeburt.«
Verie nickte.
»Hilf mir beim Pellen«, sagte Saura laut. Sie gingen zu dem Haufen Kartoffeln, Saura spürte die Blicke auf sich und ihrer Tochter ruhen. »Du bist also Verie«, sagte King.
Verie blieb stehen und nickte.
»Wie alt bist du?«
»Vierzehn.«
King brummte etwas vor sich hin. Saura bemerkte, daß Knifeson sich zu Jay umdrehte und ihm zugrinste. Angst stieg in ihr auf. Lautlos begann sie zu beten. Wenn das auch noch
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