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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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nie geholfen hatte, so erinnerte sie sich doch noch genau an die Weisungen ihrer Mutter, die ihr gesagt hatte, daß Gott stets jenen beisteht, die ihn darum angingen. Das war vor ihrem gewaltsamen Tode.
    King kratzte sich unter dem Arm und blickte sich geistesabwesend um. »Leg dich hin!« brüllte er Alice zu, der neben dem Herd stand.
    Saura setzte sich mit dem Rücken zur Wand und bedeutete Verie, sich neben sie zu hocken. Dann nahm sie das Messer vom Tisch und versuchte eine Kartoffel zu schälen. Zuerst zitterte ihre Hand so sehr, daß sie nicht weiterkam, doch dann beruhigte sie sich und schälte langsam vor sich hin, um nicht an die Männer denken zu müssen. Sie hoffte, daß Weed sich beeilen würde, und wünschte sich zugleich, daß er gar nicht käme. Sie hatte keine Ahnung, ob er ihr helfen konnte, und sie wollte nicht, daß ihm etwas zustieß. Er war ihr im Grunde egal, aber es ließ sich gut mit ihm auskommen, und er half ihr, Verie zu beschützen. Jedenfalls solange Saura dabei war; sie achtete darauf, ihn nicht mit ihr allein zu lassen.
    Der Schweißgeruch der trocknenden Kleidung vermischte sich mit den Fleischdünsten, die jetzt den Raum durchzogen. Saura sah zu, wie die Männer schläfrig wurden und sich nach und nach auf den Boden legten. Nur King ließ kein Zeichen von Müdigkeit erkennen. Er saß auf der Bank, gegen den Tisch gelehnt, und hatte die Augen geschlossen, aber er kratzte sich weiter. Saura stellte ihn sich automatisch als Partner für Verie vor. Er war stark und würde sich um sie kümmern können. Er stank und war schmutzig, worauf es aber nicht ankam, wenn er sie beschützen konnte und selbst nicht umbrachte. Sie begann gerade zu überlegen, wie sie ihm den Gedanken nahebringen konnte, als Verie ihre Gedanken unterbrach.
    »Wo ist Paps?«
    »Holz holen«, erwiderte Saura leise. Sie unterbrach ihre Arbeit und sah Verie an.
    »Was wollen die?« fragte Verie.
    »Zunächst wollen sie was zu essen.« Saura hielt in ne und atmete tief ein. »Und dann wollen sie dich und mich.«
    Verie senkte den Blick und runzelte die Stirn. Saura war sich nicht sicher, ob ihre Tochter den Sachverhalt begriff. Sie wußte überhaupt nicht, wieweit sich ihre Tochter auskannte.
    »Warum liegen sie hier herum?« flüsterte Verie. »Warum nehmen sie sich nicht, was sie wollen, und verschwinden? Ich mag nicht, daß sie hier sind. Sie sollen gehen.«
    Verie hob den Blick und sah sie flehend an. Saura schaute nach unten. Sie konnte diesem Blick nicht standhalten, der ihr vorzuwerfen schien, nichts gegen die Männer zu unternehmen. Aber sie spürte, daß es das beste war, die Eindringlinge einfach in Ruhe zu lassen, sich auf sie einzustellen – so wie sie sich auf Weed einstellte –, bis sie sie vielleicht lenken konnte, ohne daß sie es merkten, und auf diese Weise schließlich bekam, was sie für sich und Verie wollte. »Ich fürchte, sie werden erst wieder verschwinden, wenn sie uns alles aufgegessen und sich auch sonst ausgetobt haben. Es sind so viele. Normalerweise sind die Banden nicht so groß.« Sie wußte, daß die Nahrungssuche in großen Gruppen schwierig war. Als Verie etwa vier Jahre alt war, hatte Weed einmal die Frage angeschnitten, ob man das Mädchen nicht umbringen sollte, weil es zu viel äße. Mit gespielter Gleichgültigkeit hatte Saura erwidert, daß das Vorhandene für drei reichen mochte, und Weed hatte schließlich sogar eine Art Sympathie für das Mädchen entwickelt und seinen Gedanken vergessen. In irgendeinem Winter hatten sie sie dann doch fast töten müssen, damit sie etwas zu essen hatten, aber sie waren noch einmal so durchgekommen.
    Jetzt hoffte Saura bald einen Mann für Verie zu fin den. Er konnte bei der Feldarbeit und beim Jagen hel fen, und dann brauchten sie sicher keine Angst mehr vor dem Hunger zu haben, nachdem Weed im letzten Sommer zu wenig gefunden hatte. Und ein Mann wür de Weed von Verie fernhalten.
    Saura hoffte, daß die Bande mit Verie nicht so grob umgehen und sie nicht so sehr zeichnen würde, daß kein Mann mehr etwas mit ihr zu tun haben wollte. King schien durchaus in Ordnung zu sein. Als er sie geschlagen hatte, ehe Verie in den Raum kam, hatte er gar nicht richtig zugetreten. Es tat schon fast nicht mehr weh. Knifeson dagegen war aus anderem Holz geschnitzt. Saura blickte zu dem Mann hinüber, der auf dem Boden schlief. Noch im Schlaf machte er einen bösartigen, grausamen Eindruck. Er war dick, während die anderen mager waren, was darauf hindeutete,

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