Das Kriegsbuch
len, das auf der Tischplatte gelegen hatte. Sie hoffte, daß Weed bald zurückkäme, denn sie hatte es nicht gern, mit Verie allein zu sein, vor allem nicht im Frühling, wenn die Leute zum Jagen in die Berge kamen.
Das Haus hatte ein niedriges Dach und nur einen großen Raum, abgesehen von dem angrenzenden Schuppenraum. Gegenüber der Haustür war ein Herd, der zum Kochen und Heizen diente, und in der Ecke beim Tisch stand noch ein Ofen, der jedoch nie benutzt wurde. Dafür war das Holz zu knapp. Der Hauptraum hatte einen hölzernen Fußboden, mit Ausnahme des Streifens zwischen Tür und Herd, wo die Dielenbretter längst zerbrochen und verheizt waren; die Vertiefung war mit Lehm aufgefüllt.
Schon kurz nach Weeds Aufbruch hörte Saura ein Geräusch im Hof. Ihr Kopf ruckte herum, sie legte das Messer und die Kartoffel auf den Tisch und lauschte. Doch da waren nur die altbekannten Geräusche des Hauses und des Regens. Dann hörte sie es wieder. Sie lief zur Tür. Doch ehe sie sie öffnen konnte, hatte jemand sie aufgestoßen.
»Aha!« lachte der Mann. »Du kommst uns also begrüßen!«
Sie wich zurück, während die Männer hereindrängten und den Lehm von ihren Lederstiefeln trampelten. Sie sah die Knüppel und Messer und versuchte sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen. Sie hoffte, Verie würde sie hören und im Schlafraum bleiben.
Fünf Männer stapften herein, die mit einer Ausnah me Woll- und Lederkleidung trugen. Der fünfte Mann war nur in einen Lederrock gekleidet, und seine Haut war rot vor Kälte. Er trug ein Lederhalsband mit einer Lei ne. Der Mann hatte keine Arme, und die glatte Haut an seinen Schultern ließ vermuten, daß er so geboren war. Doch Saura faszinierte vor allem sein Gesicht. Das Haar stand ihm lang und wirr vom Kopf ab, und er hat te Augenbrauen, aber im Gegensatz zu allen anderen Männern, die Saura kannte, war sein Gesicht völlig glatt. Und er hatte keine Augen, und es schien auch kein Platz dafür vorgesehen.
Im nächsten Augenblick machte sie sich klar, daß ihr Starren auffallen mußte, denn der Anführer setzte zu einem tiefen und bösen Lachen an. »He, Jungens, sie mag Alice«, sagte er, und alle lachten. »Na, er wird dir schon nichts tun.« Wieder lachten alle wie auf Kommando, doch als der Anführer weitersprach, hörten sie sofort auf. »Wir haben schon dafür gesorgt.« Wieder das Lachen. »Sag der Dame, daß du ihr nichts antust, Alice«, befahl er. Die anderen grinsten und zeigten ihre gelben, abgebrochenen Zähne, während sie darauf warteten, daß Alice etwas sagte.
Alice lächelte, und Saura spürte eine ansteckende tierische Angst in ihm, die ihr Herz schneller schlagen ließ. »Ich kann dir nichts antun«, sagte er mit hoher, quietschender Stimme, und die fünf brachen in dröhnendes Gelächter aus.
Saura fand das gar nicht komisch, aber sie rang sich ein Lächeln ab.
»Uns ist kalt. Mach Feuer!« befahl der Anführer. Als Saura ihn nur anstarrte, trat er einen Schritt vor und versetzte ihr einen Faustschlag. Sie stürzte schwer zu Boden, und er trat zu ihr und stieß sie sanft in die Seite. »Wenn ich dir etwas sage, tust du das auch!«
Sie stand auf, öffnete den Herd und schaute hinein. Die Hitze des langsam abbrennenden Holzes erwärmte ihr Gesicht. »Das Feuer ist ja an«, sagte sie und trat zurück, damit sie es sehen konnten. Der Anführer bückte sich und starrte hinein.
Er stieß einen Fluch aus, den sie nicht verstand, und sagte dann: »Schaut euch das an, Jungens, sie hat ein Feuer in dem Ding da.« Sie drängten sich um das Feu erloch, um hineinzuschauen, und nur Alice blieb zurück, der ein paar Schritte vorwärts machen mußte, weil sein Führer an seiner Leine zog.
»Das soll ein Herd sein?« fragte der Anführer. Saura nickte. Er grunzte. »Wie heißt du?« fragte er.
»Saura.«
»Saura.« Wieder das Grunzen. »Ich bin King.« Er wandte sich um und deutete nacheinander auf seine Männer. »Das ist Knifeson, das Longpole, das ist Jay und der da Alice.« Die Männer lachten, als er auf Alice zeigte.
Saura hatte schon von den Mißgeburten gehört, aber Alice war die erste, die sie zu Gesicht bekam.
»Knifeson, du durchsuchst das Haus«, befahl King, »und die anderen sehen sich draußen um. Holt das Schwein rein.« Er sah sich um. »Kartoffeln haben wir ja.«
»Ich wollte sie ins Brot machen.«
»Das ist nicht nötig. Wir essen sie so.« King trat an den Tisch und setzte sich auf die Bank. Sein Gesicht und seine Hände starrten vor
Weitere Kostenlose Bücher