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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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beschäftigt. Manchen droht eine Staatspleite , eine sehr hohe Staatsverschuldung weisen fast alle auf. Das wirkt sich beim Stresstest natürlich negativ aus. Auch für Banken können Stresstests sehr unangenehm werden, vor allem dann, wenn sich zu viele synthetische CDO in den Portfolios befinden. Und sollte eine Bank in diesem Fall zusätzlich noch systemrelevant sein, sieht es zappenduster aus.

Schattenbanken
    Unter den Begriff Schattenbanken fallen Geldinstitute, die ein unreguliertes und unkontrolliertes Dasein im Biotop der Finanzindustrie fristen. Zu ihnen gehören beispielsweise die mit hochspekulativen Anlagen jonglierenden → Hedgefonds ebenso wie Private-Equity-Unternehmen (→ Heuschrecken ), deren Geschäftsmodell darin besteht, ganze Unternehmen aufzukaufen und später mit Gewinn weiterzuveräußern. Auch Zweckgesellschaften, die vor allem dadurch auffallen, dass sie besonders komplexe und undurchschaubare Wertpapiere konstruieren und vertreiben (vgl. → CDO und → Conduits ) gehören zu den Schattenbanken. So unterschiedlich die verschiedenen Schattenbanken in der Ausrichtung ihrer Geschäftstätigkeit auch sein mögen – sie nutzen alle in besonders exzessiver Form → Derivate und den Finanzhebel (geringer Kapitaleinsatz mit hoher Ertragschance, aber gleichzeitig auch hohem Verlustrisiko; vgl. → leverage ) in allen Varianten. Mit Bankgeschäften hat das alles überhaupt nichts zu tun. Von daher wäre der Begriff »Schattenspekulanten« angebrachter.
    Das Auf und Ab des spekulationsgetriebenen Agierens der Schattenbanken kann man anschaulich am Werdegang des Hedgefondsmanagers John Paulson nachvollziehen. Der sah den Ausbruch der Subprimekrise 2007 voraus; als alle anderen sich noch an → CDO und deren Verfeinerung, den → synthetischen CDO , berauschten, setzte er auf einen Verfall dieser Wertpapiere. Paulsons Fonds wuchs 2007 um knapp 4 Milliarden Dollar. Das sind in jeder Stunde mehr als 450 000 US-Dollar.
    2012 und 2013 lag Paulson mit seinen Spekulationen jedoch ziemlich daneben. Er verkalkulierte sich mit Gold und seine Fonds verloren Milliarden.
    Das Financial Stability Board (FSB), eine internationale Organisation zur Überwachung des globalen Finanzsystems, schätzt das Volumen der Schattenbanken auf über 60 Billionen US-Dollar. Das entspricht in etwa dem Weltbruttoinlandsprodukt (vgl. → BIP ). Allein die nicht regulierten, klandestinen Finanzbereiche bewegen also ein Volumen, das dem Wert aller jährlich produzierten Güter und Dienstleistungen weltweit entspricht.
    Einige Länder beziehungsweise Regionen, tun sich als Zufluchtsort für Schattenbanken ganz besonders hervor. So liegt beispielsweise in Hongkong das Geschäftsvolumen dieser dunklen Finanzmächte um mehr als das Fünffache über dem Bruttoinlandsprodukt (→ BIP ); in Großbritannien ist es das 3,7-Fache.
    Gemessen am Schattenbank-Gesamtvolumen hat Paulson im Grunde genommen nur einen winzigen Gewinnanteil von 0,007 Prozent abgeschöpft. Alles eine Frage der Perspektive.

shareholder value
    Der Begriff shareholder value steht für ein Unternehmensführungsprinzip, das von Alfred Rappaport in den 1980er Jahren entwickelt wurde und dessen oberstes Ziel die Gewinnmaximierung ist. Diese soll zu hohen Dividenden für die Aktionäre und in der Folge zu einer ausgeprägten Kurseuphorie auf den Aktienmärkten führen. Eine am shareholder value ausgerichtete Unternehmensleitung wird daher zwangsläufig genau auf jene Maßnahmen rekurrieren, die auch im Programm der → Neoliberalen vorgesehen sind – Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen, Lohnkostensenkung, Verschärfung von Arbeitsbedingungen. Von fairer Entlohnung und Beteiligungsrechten der Arbeitnehmer ist dieser menschenverachtende Managementansatz weit entfernt. An der Verbreitung des shareholder value hat die Finanzbranche einen erheblichen Anteil.
    Da eine Steigerung des Marktwertes des Unternehmens als oberstes Ziel beim Ansatz des shareholder value gilt, wird bei Aktiengesellschaften zwangsläufig die Fixierung auf eine positive Entwicklung des Börsenkurses zur Leitmaxime unternehmerischen Handelns. Somit ordnet sich das Management den Kapitalmärkten unter und verliert seine ureigene Identität. Denn was macht der → Markt ? Er bejubelt jegliche Kurzfristmaßnahme zur Gewinnmaximierung, er fährt auf jede noch so klitzekleine Unternehmensnachricht ab und ist leicht manipulierbar. Er ist nicht als Zusammenschluss rational handelnder Individuen anzusehen,

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