Das kritische Finanzlexikon
Folge, dass diese »Einkommensteuer für Unternehmen« lediglich nur noch einen Anteil von etwa 2 Prozent am gesamten Steueraufkommen Deutschlands ausmacht.
Mit diesen Großzügigkeiten, die Besser- und Spitzenverdienern sowie Unternehmen zugutekommen, liegt die deutsche Politik absolut im internationalen Mainstream. Diesen Mainstream hat seinerzeit ein Wirtschaftswissenschaftler namens Arthur Laffer eingeleitet.
Dieser skizzierte in den 1970er Jahren – angeblich auf einer Serviette während eines Abendessens – eine simple Kurve:
Wie alle schlichten Pseudo-Weisheiten, prägte sich auch diese Kurve gut ein. Ein Staat, so das dahinterstehende Dogma, wird bei steigendem Steuersatz zunächst einmal mehr Steuern einnehmen. Irgendwann ist ein Wendepunkt erreicht; der Staat schießt sich selbst ins Knie, weil nun eine Steuerflucht einsetzt; die Einnahmen sinken wieder.
Bei Politikern wie Ronald Reagan und Margaret Thatcher kam die Laffer-Kurve gut an; man nahm sie zum Anlass für ein umfassendes Steuersenkungsprogramm.
Geld ist ein Suchtmittel – je mehr man davon hat, desto gieriger wird man. Daher sind gerade die Superreichen hinter weiteren Steuererleichterungen her wie der Teufel hinter der armen Seele. Besonders anschaulich kann man dies in den USA nachvollziehen, einem restlos gespaltenen Land, in dem sich die Einkommensschere in den letzten Jahren immer weiter geöffnet hat. In dem die 400 reichsten Haushalte 1,2 Billionen US-Dollar auf sich vereinigen (das sind im Durchschnitt sage und schreibe 3 000 Millionen Dollar pro Haushalt!), aber 50 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben müssen – und das in einem der angeblich reichsten Staaten der Welt. Dennoch werden gerade dort immer unverblümter Forderungen nach weiteren Steuererleichterungen erhoben, die insbesondere bei den Republikanern Anklang finden.
Bei uns hat sich vor allem die FDP als »Steuersenkungspartei« einen Namen gemacht. Inzwischen ist man dort ein wenig von dem penetranten Ruf nach Steuersenkungen zurückgerudert. (Eine der letzten deutschen Großtaten in Sachen Steuererleichterungen bestand darin, den Arbeitnehmerpauschalbetrag Anfang 2012 um satte 80 Euro auf 1 000 Euro anzuheben.) Dennoch kann die FDP angesichts der massiven klientelbezogenen Vergünstigungen in den letzten Jahren eigentlich hoch zufrieden sein.
Was an Einnahmen wegbricht, muss an anderer Seite wieder hereinkommen. Und hier sind wir erneut bei der Staatsverschuldung angelangt. Seit Beginn der sogenannten Staatsschuldenkrise macht man uns weis, dass wir »über unsere Verhältnisse« leben. Angesichts des rapiden Zuwachses der Privatvermögen ist dieser Spruch jedoch unsäglich dumm. Wir leben nicht über unsere Verhältnisse – es ist vielmehr so, dass die Verhältnisse nicht mehr stimmen! Genauer gesagt: die Relationen zwischen Arm und Reich. Was ist denn vor allem in den letzten zehn Jahren geschehen? Die Steuern sanken, gleichzeitig haben sogenannte Arbeitsmarktreformen dafür gesorgt, dass wir inzwischen einen massiven Zuwachs von Jobs im Niedriglohnsektor verzeichnen. Die Folge ist schlicht und einfach eine wachsende → Ungleichheit bei der Verteilung von Einkommen und Vermögen.
Das reale Bruttoinlandsprodukt (→ BIP ) steigt – von wenigen Ausnahmejahren abgesehen – seit Jahrzehnten kontinuierlich an. Die Vermögen ebenfalls; wie wir gesehen haben, sogar wesentlich stärker. Dies ist möglich, weil sich das Vermögenswachstum nicht realwirtschaftlich fundiert, sondern spekulativ-virtuell vollzieht (vgl. → abartiges Verhältnis ).
Auf der anderen Seite gibt es die Staatsschulden. Diese werden über die Emission von verzinslichen Anleihen gemacht. Und wer kauft die Anleihen? Klar – diejenigen, die Geld auf der hohen Kante haben. Diese Leute treten als Direktanleger auf, sie generieren Kapitalerträge über → Fondsanlagen oder lassen sich die – ebenfalls in Staatsanleihen investierten – Produkte der Herren → Riester und Rürup ins Depot legen. Und auch Banken haben die Assetklasse Staatsanleihen für ihr Wohlergehen entdeckt.
Dies ist der Kreislauf unserer modernen Geldwirtschaft: Der Staat »verzichtet« auf eine gerechte Versteuerung von Unternehmen sowie Besser- und Spitzenverdienenden und schließt die entstehenden Lücken dadurch, dass er genau jene wieder anpumpt, denen die Steuern erlassen wurden (das ist der Kern der oben angeführten Lüge über die Staatsschulden). Ein unwiderstehliches Angebot. Jeder wäre doch
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