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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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trip geht es um die Liquidität von Wertpapiermärkten beziehungsweise einzelnen Wertpapieren.
    Die Sicherstellung von Liquidität auf den Wertpapiermärkten genießt in Finanzkreisen allerhöchste Priorität. Es ist quasi das Panta-Rhei-Prinzip der Branche. Alles fließt – vorzugsweise in die Taschen der Finanzjongleure.
    Bei der Beurteilung der Liquidität eines Wertpapieres oder Börsensegments werden Merkmale wie Geld-BriefSpanne, gehandeltes Volumen oder Anzahl der Preisfeststellungen herangezogen. Vereinfacht ausgedrückt gilt der Grundsatz: Je mehr und je öfter gehandelt wird, umso kleiner wird die Differenz zwischen einem Kauf- und einem Verkaufskurs für ein bestimmtes Papier. Stellt beispielsweise ein Händler oder → market maker zum Zeitpunkt X für eine Aktie die Kurse 9,10 (Geld) und 9,18 Euro (Brief), dann ist er bereit, diese Aktie wahlweise für 9,10 Euro zu kaufen oder zum Preis von 9,18 Euro zu verkaufen. Die 8 Cent Differenz stellen die Geld-Brief-Spanne dar. Wer jetzt also einen round trip machen möchte, könnte von dem Händler die Aktie zu 9,18 Euro beziehen, um sie dann sofort wieder für 9,10 Euro an diesen zu verkaufen. Das macht natürlich kein Mensch (weil es, wirtschaftlich gesehen, unsinnig ist), die Spanne gilt jedoch in Spekulantenkreisen als wichtige Beurteilungsgröße. Man spricht hier von impliziten Transaktionskosten, das Papier muss ja bei einem Kauf zunächst einmal um 8 Cent steigen, damit der Käufer überhaupt erst in die Gewinnzone kommt. Implizite Transaktionskosten sind also fiktive Kosten, die bei einem round trip , dem gleichzeitigen Kauf und Verkauf eines Wertpapieres, entstehen würden. Durch rege Handelsaktivitäten bewegen sich Geld- und Briefkurse näher aufeinander zu. Das Komische daran ist: Dann freut sich die Finanzwelt.
    Das klingt widersprüchlich. Die Handelsspannen sinken, und die Branche reibt sich die Hände? Aber zwei Größen wurde bisher noch nicht betrachtet – zum ersten das Marktvolumen in Euro, Dollar, Schweizer Franken etc. und zum zweiten die Umschlaghäufigkeit. Bezieht man diese Faktoren in die Betrachtung ein, wird deutlich, dass sinkende Geld-BriefSpannen letztendlich sogar zu Profitsteigerungen führen, Es geht nämlich darum, die Anleger über tolle, liquide Märkte anzulocken und dazu zu verleiten, möglichst viele Transaktionen mit möglichst immer mehr ansteigenden Losgrößen durchzuführen. So geht die Milchmädchenrechnung auf: Eine Schmälerung der Verdienstspanne um 50 Prozent gleicht sich nach Adam Riese durch eine Verdopplung der gehandelten Menge aus. 8 Cent Gewinn aus dem Handel mit einer Million Aktien entspricht nun mal in Euro exakt dem Betrag, den ich bei 4 Cent Gewinn mit zwei Millionen Aktien mache. Und bei einem Umsatz von drei Millionen realisiert man sogar noch einen höheren Gewinn, auch wenn die Marge zuvor um die Hälfte geschrumpft ist.
    Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn die potenziellen Anleger über genügend finanzielle Mittel verfügen, um solche Transaktionsspielchen auch durchführen zu können. Womit wir bei der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs Liquidität angelangt sind. Liquidität ist nämlich nichts anderes als die Fähigkeit, ein bestimmtes Wirtschaftsgut gegen ein anderes sofort tauschen zu können. Hierbei ist eigentlich immer → Geld mit im Spiel, da dieses in einer funktionierenden Geldwirtschaft als allseits anerkanntes Tauschmittel gilt. Liquide, also flüssig, ist damit derjenige, der hinreichend mit Geldmitteln ausgestattet ist. Dafür sorgt die Politik, zum Beispiel durch steuerliche Begünstigung von Kapitalerträgen (vgl. → Jubel ). Wem die Steuersätze dann immer noch zu hoch sind, der geht dann einfach → offshore .

Lissabon
    Es sollte ein Jahrhundertwerk werden – der Vertrag über eine Verfassung für Europa. Die Europäische Union sollte eine einheitliche Struktur und zusätzliche Kompetenzen erhalten. Das Vertragswerk wurde 2004 in Rom feierlich von den Staatsund Regierungschefs der EU-Staaten unterzeichnet und sollte 2006 in Kraft treten. Rechtskraft erhielt das Werk jedoch nicht, weil die Niederlande und Frankreich die Idee eines starken autonomen Europas ihren nationalen Parlamenten nicht schmackhaft machen konnten. Die Angelegenheit wurde politisch dann auf Sparflamme weitergekocht, und es kam zum Vertrag von Lissabon (»Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union«, kurz: AEUV). Seit dessen Inkrafttreten im Jahr 2009 spricht man offiziell nicht

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