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Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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falschen Eindruck«, fuhr sie schnell fort. »In Bezug auf Philip, meine ich. Philip ist nicht leicht zu verstehen. Er wirkt zurückhaltend und kalt; doch das ist er ganz und gar nicht.«
    »Ich dachte wirklich nicht…«, begann ich.
    Sie unterbrach mich: »Und dann, was Roger betrifft… Er ist ein lieber Kerl; aber er braucht Verständnis.«
    Ich sah sie mit einem Blick an, der, wie ich hoffte, Verständnis ausdrückte.
    »Es liegt wohl zum Teil daran, dass Roger von seinem Vater vorgezogen wurde. Das zweite Kind steht oft im Schatten. Aristide hatte denn auch eine besondere Vorliebe für Roger. Philip spürte das wohl, zog sich in sich selbst zurück und verkroch sich hinter seinen Büchern. Ich glaube, er litt… Kinder leiden oft. Verstehen Sie, ich glaube, er war von jeher eifersüchtig auf Roger. Wahrscheinlich weiß er es selbst nicht. Deshalb nehme ich an… ach, es klingt abscheulich, wenn ich das sage, und bestimmt weiß er es selbst nicht… aber ich nehme an, dass Philip wegen Rogers Versagen nicht so traurig ist, wie er es eigentlich sein sollte.« Mit leichtem Stirnrunzeln fügte sie hinzu: »Es betrübte mich, dass er seinem Bruder nicht sofort Hilfe anbot.«
    »Warum sollte er auch?«, entgegnete ich. »Roger hat doch gezeigt, dass er als Kaufmann nichts taugt. Außerdem sind die Kinder zu berücksichtigen. Wenn Roger erkrankt wäre, hätten ihm die Angehörigen sicher geholfen; so aber wird Roger viel lieber aus eigenen Kräften von vorn anfangen.«
    »Gewiss. Er macht sich nur wegen Clemency Sorgen. Clemency ist ein außergewöhnliches Geschöpf. Sie liebt tatsächlich die Ungemütlichkeit und begnügt sich mit dem Einfachsten. Das ist wohl modern. Sie hat keinen Schönheitssinn, keinen Sinn für die Vergangenheit.« Ediths kluge Augen musterten mich von oben bis unten. »Für Sophia ist das Ganze eine schlimme Prüfung. Sie tut mir so leid. Ich liebe sie alle, Roger und Philip und die junge Generation. Ja, ich liebe sie alle sehr.« Nach einer Pause sagte sie scharf: »Aber man darf nicht vergessen, dass Götzendienst gefährlich ist.«
    Sie wandte sich brüsk ab und ging. Ich hatte das Gefühl, dass sie mir mit ihrer letzten Bemerkung etwas sagen wollte, was ich jedoch nicht verstand.

15
     
    » D ein Zimmer ist fertig«, sagte Sophia.
    Sie stand neben mir und schaute in den Garten hinaus, der jetzt grau aussah. Plötzlich kamen zwei Gestalten durch die Hecke, die in dem schwindenden Licht beinahe unkörperlich wirkten.
    Brenda Leonides war die Erste. Sie trug einen grauen Chinchillamantel, und ihr Gang hatte etwas Katzenhaftes. Mit einer gewissen feenhaften Anmut schlüpfte sie durch die Dämmerung. Als sie am Fenster vorbeikam, konnte ich ihr Gesicht erkennen. Um ihre Lippen lag dasselbe halbe Lächeln, das mir schon einmal aufgefallen war. In einigem Abstand schlüpfte Laurence Brown hinter ihr her. Ja, er schlüpfte. Sie wirkten nicht wie zwei Menschen, die einen Spaziergang gemacht haben. Sie hatten etwas Verstohlenes und Schemenhaftes an sich wie zwei Geister. Ich fragte mich, ob Brendas oder Laurence’ Fuß das Knacken des Zweiges vorhin hervorgerufen hatte.
    Infolge einer natürlichen Gedankenverbindung fragte ich: »Wo ist Josephine?«
    »Wahrscheinlich mit Eustace oben im Schlafzimmer.« Sophia zog die Brauen zusammen. »Ich mache mir Sorgen um Eustace.«
    »Weshalb?«
    »Er ist so launisch und merkwürdig. Seit der verflixten Krankheit ist er wie verwandelt. Ich komme nicht dahinter, was in ihm vorgeht. Manchmal scheint er uns alle zu hassen.«
    »Das wird sicher vorübergehen. Es ist nur eine Phase.«
    »Ja, vermutlich. Aber ich mache mir einfach Sorgen, weil meine Eltern sich nie Sorgen machen. Sie sind gar keine richtigen Eltern.«
    »Das hat auch sein Gutes. Die meisten Kinder leiden, weil ihre Eltern sich zu viel um sie kümmern.«
    »Stimmt. Früher habe ich darüber nie nachgedacht, erst seit ich aus dem Ausland zurückgekommen bin. Sie sind wirklich ein sonderbares Paar. Vater lebt in einer Welt dunkler, geschichtlicher Seitenpfade, und Mutter unterhält sich damit, alle möglichen Szenen zu arrangieren. Diese Narretei heute Abend war auch ihr Werk. Das Ganze war gar völlig überflüssig. Sie wollte nur eine Familienratsszene spielen. Sie langweilt sich hier, weißt du, und muss ab und zu ein Drama inszenieren.«
    Sekundenlang sah ich Sophias Mutter vor mir, wie sie leichtsinnigen Herzens ihren Schwiegervater vergiftete, um ein Morddrama mit einer tragenden Rolle für sich

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