Das krumme Haus
Widerspruch. Ich zwang sie, mit mir in den Teil des Hauses zu gehen, wo ihr eigenes Zimmer lag. Dort war ein unbenutzter kleiner Raum, wo uns vermutlich niemand stören würde. Ich schloss energisch die Tür und bedeutete Josephine, sich zu setzen. Ich nahm auf einem anderen Stuhl Platz und rückte ihn so, dass ich ihr gerade ins Gesicht sah.
»So, Josephine«, hob ich an, »nun wollen wir mal klar Schiff machen. Was weißt du eigentlich?«
»Sehr viel.«
»Das bezweifle ich nicht. Dein Köpfchen ist wahrscheinlich vollgestopft mit wichtigen und unwichtigen Dingen. Aber du hast genau verstanden, was ich meine. Oder nicht?«
»Doch, natürlich. Ich bin nicht dumm.«
Ich wusste nicht, ob ihre Betonung gegen mich oder die Polizei gemünzt war, aber ich überging die Bemerkung und fuhr fort: »Weißt du, wer etwas in deinen Kakao getan hat?«
Sie nickte.
»Weißt du, wer deinen Großvater vergiftet hat?«
Wieder nickte sie.
»Und wer einen Anschlag auf dich verübt hat?«
Sie nickte zum dritten Mal.
»Dann musst du mit deinem Wissen herausrücken. Du wirst mir jetzt alles sagen.«
»Nein.«
»Du musst. Alles, was du weißt, muss die Polizei erfahren.«
»Ich will der Polizei nichts verraten. Sie ist dumm. Die Polizei dachte, Brenda hätte es getan – oder Laurence. Ich war nicht so dumm. Ich wusste recht gut, dass die beiden es nicht getan haben. Ich hatte so eine Ahnung, wer dahintersteckte, und dann machte ich die Probe, und nun weiß ich, dass ich Recht hatte.«
Der letzte Satz klang frohlockend.
Ich betete um Geduld und nahm einen neuen Anlauf.
»Hör mir gut zu, Josephine, du bist sehr gescheit…« Josephine machte ein zufriedenes Gesicht. »Aber es nützt nichts, gescheit zu sein, wenn man nicht am Leben ist, um sich der eigenen Gescheitheit zu erfreuen. Siehst du denn nicht ein, dass du in Gefahr bist, solange du deine Geheimnisse so töricht für dich behältst?«
Sie nickte beifällig.
»Natürlich bin ich in Gefahr.«
»Schon zweimal bist du nur mit knapper Not davongekommen. Beim ersten Anschlag hättest du beinahe daran glauben müssen. Der zweite hat einen anderen Menschen das Leben gekostet. Begreifst du nicht, Kind? Wenn du immerzu laut verkündest, du wüsstest, wer der Mörder ist, werden noch mehr Anschläge vollführt werden.«
»In manchen Büchern wird ein Mord nach dem andern verübt«, belehrte Josephine mich vergnügt. »Zum Schluss entdeckt man den Mörder, weil er der einzige Überlebende ist.«
»Wir haben es nicht mit einem Kriminalroman zu tun. Du hast viel zu viel gelesen, und das ist dir nicht bekommen. Ich werde dich zum Reden bringen, und wenn ich dich schütteln muss, bis dir die Zähne klappern.«
»Ich könnte Ihnen ja etwas erzählen, das gar nicht wahr ist.«
»Das könntest du, aber du wirst es nicht tun. Worauf wartest du eigentlich noch?«
»Sie verstehen das nicht«, erwiderte Josephine. »Vielleicht verrate ich nichts, weil ich… weil ich den Menschen sehr gern habe.« Sie machte eine Pause, wie um mir Zeit zu lassen, diese Eröffnung zu erfassen, und fuhr dann fort: »Und wenn ich es sage, muss es richtig sein. Alle müssen im Kreis um mich herumsitzen, und dann werde ich alles schildern, mit den Beweisen, und dann werde ich ganz plötzlich sagen: ›Du bist der Mörder…‹«
Dramatisch stieß ihr Zeigefinger in die Luft, gerade als Edith de Haviland eintrat.
»Wirf das Apfelgehäuse in den Papierkorb, Josephine«, sagte Edith. »Hast du ein Taschentuch bei dir? Deine Finger sind ja ganz klebrig. Ich nehme dich im Auto mit.« Sie schaute mich bedeutungsvoll an. »Draußen ist sie in den nächsten zwei Stunden eher in Sicherheit.« Als Josephine eine rebellische Miene aufsetzte, fügte ihre Tante hinzu: »Wir fahren nach Longbridge und essen dort Eis.«
Josephines Gesicht erhellte sich, und sie sagte: »Zwei Portionen.«
»Vielleicht«, antwortete Edith. »Geh jetzt und hol dir Hut und Mantel. Und vergiss dein Halstuch nicht. Es ist kalt heute. Begleiten Sie sie, Mr Hayward, damit sie nicht allein ist, und lassen Sie sie nicht aus den Augen. Ich muss noch zwei kurze Briefe schreiben.«
Sie setzte sich an den Sekretär, und ich führte Josephine hinaus. Auch ohne Ediths Ermahnung hätte ich mich wie eine Klette an Josephine geheftet. Ich war überzeugt, dass das Kind in größter Gefahr schwebte.
Kurz nachdem Josephine zum Ausgang angezogen war, kam Sophia herein. Sie machte ein erstauntes Gesicht, als sie mich sah.
»Nanu, Charles, bist du
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