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Das Kuckucksei

Das Kuckucksei

Titel: Das Kuckucksei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Refrain geworden. Er machte immer wieder Fehler. Er sah zerknirscht aus.
    Duun streckte langsam eine Hand nach Dorns Gesicht aus. Dorn trat zurück. Seine Haltung war drohend und wachsam. Duun lächelte.
    Dorn zog schwer atmend die Schultern zurück. (Warum schreist du mich an? Warum verfluchst du mich? Was stimmt heute nicht? Ich versuche ja zuzuhören, Duun, also treib nicht solche Scherze mit mir!)
    »Erlaube mir, dich zu berühren, Elritze. Dieses eine Mal.« Die Messerhand sank herab. Dorn stand reglos. Duun trat dicht an ihn heran und legte ihm die Handfläche mitten auf die Brust, auf Fleisch, das bleich geworden war durch den Mangel an Sonnenlicht, auf Fleisch, das so dick mit Schweiß bedeckt war, daß Hände daran abrutschten, wenn man ohne Krallen zupackte. Das Herz klopfte unter Duuns Hand mit gleichmäßigen, mühsamen Schlägen. Dorn zuckte nicht zusammen und zitterte auch nicht. Duun fuhr mit der Hand hinauf an die Seite von Dorns Hals und spürte dort denselben Puls. Ein leichtes Zucken. Ein Reflex. Oder gelernt. Er blickte in die fremdartigen weißen Augen: Es war seltsam, wie wenig sich die blauen Zentren verändert hatten, seit er zum ersten Mal hineingeblickt hatte, in die Augen eines Säuglings auf seinem Schoß. Ein Kind mit rundem Bauch, das über seine gekreuzten Knöchel kletterte und versuchte, ihn an den Ohren zu ziehen; das Gesicht eines Jungen, der in plötzlichem Schrecken zu ihm aufsah, als er ihn auf seiner Spur entdeckte ...
    Die Augen schienen sich in der Größe nicht verändert zu haben. Die Knochen ringsherum taten es. Die Wangen wurden hohl und der Unterkiefer länger, und die Haut daran wurde rauher durch das dunkle Haar, das Dorn immer wieder rasierte ... (»Sie werden mich auslachen, Duun! Mein Körperhaar wird nicht dicht genug, und dann will ich es im Gesicht nicht so dicht haben, an einem einzigen Fleck, und sonst nirgendwo.«) Dorn rasierte sich auch den Körper an manchen Stellen, wo dichte Haarflecken wuchsen. Er schnitt das Haar und putzte es und versuchte, kein längeres Fell zu bekommen, oder zumindest zu verhindern, daß die Veränderungen seines Körpers den Dorn überdeckten, an den sie sich beide gewöhnt hatten. Dorn roch anders als früher. Brust und Schultern waren breiter und muskulös, der Bauch flach und fest, die Lenden schmal, die Beine mit langen Muskeln ausgestattet und beweglich. Stark war er. Dorn konnte heute ihn hochheben, obwohl die Götter wußten, daß Duun nicht vorhatte, ihm einen Versuch zu gestatten.
    Seltsamerweise war Dorn nicht häßlich. Siebzehn, beinahe achtzehn Jahre, und Duun blickte ihm auf gleicher Höhe in die Augen, mußte in letzter Zeit sogar ein wenig aufblicken. Und Dorn legte eine Symmetrie an den Tag, die sein Gesicht zum Körper passend machte und seine Struktur zu einer Grazie der Bewegung zusammenfügte, die kein Ästhet leugnen konnte. (»Wenn man sich an ihn gewöhnt hat, ist er schön«, meinte Sagot. »Furchterregend wie irgendein großes Tier, dem man nähergekommen ist, als man wollte. Aber man will sehen, wie er sich bewegt. Solche Dinge sind irgendwie faszinierend, nicht wahr?«)
    Die Pupillen weiteten sich jetzt und zogen sich wieder zusammen, zeigten damit die Nachdenklichkeit dahinter. Die Furcht. (Ist das ein Spiel, Duun? Soll ich irgend etwas machen?)
    Duun ging weg, wandte diesem Blick den Rücken zu. Vielleicht spürte Dorn seine Furcht. Sie war jetzt akut.
    (»Wir müssen jetzt anfangen«, sagte Ellud. »Duun, du hast mich hingehalten; zuerst hieß es warten, bis er die ersten Bänder verarbeitet hatte, und dann hieß es, die Betan-Geschichte hätte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Jetzt ist es soweit: Ich muß ihm ein paar letzte Dinge beibringen. Duun, wir haben keine Ausreden mehr!«)
    Duun hob die Scheide für das Wer-Messer auf, drehte sich um und blickte durch das Zimmer dorthin, wo Dorn dasselbe tat. Ein Spiel der Muskeln, die Bewegung eines Armes. Dorn war noch unversehrt an diesem Morgen. Duun hatte den Wunsch, sich immer daran zu erinnern.
     
    »Das sind die Worte: Ich weiß, daß du sie behalten kannst. Du wirst es nicht nötig haben, viel zu lernen. - Schiff - Sonne -Hand - Warnung. - Es sind die Äquivalente zu diesen Klangmustern.« Sagot spielte das Band in dem Recorderstab, den sie in der Hand hielt. Es war sehr kompliziert, und Dorn konzentrierte sich, damit ihn die Umgebung nicht ablenkte. Der Posten hatte ihn an diesem Morgen nicht zu dem vertrauten Zimmer gebracht, sondern zwei

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