Das Kuckucksei
ihn los, und einer legte ihm von der Seite her eine Hand auf den Rücken, und mehrere Meds halfen ihm dabei, sich aufzusetzen, und hielten ihn dann fest.
»Sind Sie fertig?« erkundigte sich Dorn.
»Wir sind fertig«, erwiderte einer. Sie sprachen selten mit ihm. »Wir bringen dich für eine Zeitlang ins Bett.«
»Ich gehe nach Hause.« Dorn stemmte sich plötzlich hoch und landete mit den Füßen auf dem Boden. Die Füße fühlten sich taub an, aber die Knie hielten. Der Med streckte die Hände nach ihm aus, aber er wehrte das mit einem Arm ab, den er wie in Zeitlupe bewegte, eine freundliche Warnung. Der Med verstand sie, als Dorns Blick der Bewegung folgte, und wich zurück.
»Sagot!« rief jemand. »Sagot, kommen Sie schnell herein!« Dorn wartete, ob Sagot kam. Ihm fiel wieder ein, daß er nackt war. »Ich will meine Kleider zurückhaben!« Ein Med reichte ihm seinen Kilt, und er bemühte sich mit tauben Fingern und vermindertem Gleichgewichtssinn darum, ihn anzuziehen.
Eine Tür ging auf. Dorn blickte zu Sagot auf. »Sagot«, sagte er; er bemühte sich sehr darum, höflich zu sein. Duun würde ihn schlagen, wenn er grob zu den Meds war, und er war verzweifelt. Er zwang sich dazu, ganz sanft und höflich zu sprechen, und stand so gelassen da, wie er nur konnte. »Sagot, sie denken, ich sollte hier ins Bett gehen, und ich möchte lieber in meinem eigenen Bett schlafen. Bitte, bring mich nach Hause, Sagot!«
Sagot betrachtete ihn, und ihre dünnen Lippen waren fest zusammengepreßt. Sie stand lange so da. »In Ordnung«, sagte sie dann. »Rufen Sie seine Eskorte, und rufen Sie auch Duun an und sagen Sie ihm, wir kämen!« Sagot trat zu Dorn und ergriff seinen Arm, wand ihren dünnen, zerbrechlichen Unterarm um seinen und verschränkte ihre beiden Hände mit seiner, und so verließ er mit ihr zusammen das Zimmer.
»Wir warten hier für einen Moment«, sagte sie im angrenzenden Zimmer, und sie stand dort und hielt weiter seinen Arm fest. Einen Augenblick später ging die Tür auf, und der Posten, der ihn überallhin begleitete, war da. Ogot hieß er. Er sagte wenig, war jedoch ein angenehmer Mann; er gehörte zu Duuns Leuten, und wenn Ogot ihn hierhergebracht und ihm doch nichts gesagt hatte, dann hatte er vielleicht nicht halb soviel gewußt wie Sagot. Ogot bedachte Dorn jetzt mit besorgtem Blick, und Dorn schämte sich, weil er so hilflos war.
»Es ist alles in Ordnung«, meinte Sagot. »Sie haben ihm lediglich ein paar Beruhigungsmittel gegeben; wir gehen langsam. Der Junge will jetzt nach Hause. Komm, Dorn!«
Er war nicht in seinem Bett, sondern lag auf Kissen auf der Erhebung, die an die Wand des Hauptzimmers grenzte. Die Fenster zeigten Zweige, die von Wind und Regen gepeitscht wurden, und taten so, als wäre das Glas regennaß und der Ausblick durch das Wasser verzerrt. Das Audio spielte Donnerund Regengeräusche. Blitze zuckten. Die Klimaanlage verbreitete feuchtkalte Luft und den Geruch von Wäldern im Regen. Dorn lag auf Kissen in dem Zimmer, das er kannte (aber die Wände veränderten sich stets), und er blinzelte. Er kannte diese Bäume, den einen, der sich beugte, den krummen Ast, die Felsen, den Weg, auf dem man hinaufsteigen konnte ...
»Hier.« Duun setzte sich auf die Erhebung, nahm eine Tasse und goß ihm Tee ein. »Es ist Aghos darin, also spuck ihn nicht aus! Du kannst die Kalorien gebrauchen.«
Dorn packte die Tasse mit einer Hand und nippte an dem Tee. Das Gewürz war ausgesprochen süßlich, aber es schmeckte besser als sein Mund. Er blinzelte Duun an. Sein Hals war steif; er hatte in ungünstiger Position geschlafen.
»Das ist gut«, sagte Duun. »Ich habe dich hierhergebracht.«
»Mich getragen?« Dorn erinnerte sich daran, im Bett gelegen zu haben; erinnerte sich auch daran, daß Duun ihn einmal geweckt und ihm etwas zu trinken gegeben hatte.
»Ich kann es immer noch.«
»Duun, sie ...«
»Sei still!«
Dorn kam wieder zu Atem. Er war also im Begriff gewesen, sich in Verlegenheit zu bringen. (Dir fehlt etwas, Dorn.) Nach dem vorangegangenen Gewitter fühlte er sich jetzt ausgelaugt und ruhig. Der trügerische Regen prasselte an die Fenster. »Das ist Sheon, nicht wahr?«
»Ich habe diese Szenerie abgespeichert, das war vor etwa einem Jahr. Ich dachte mir, daß ich sie eines Tages gebrauchen könnte.«
(Eines besonderen Tages. Heute? Ist es ein Geschenk? Ein Ausgleich für diese Behandlung durch die Meds?)
»Willst du noch Tee? Ich möchte, daß du jetzt richtig wach
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