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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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in großen Mandala-Rädern mit genarbten Speichen wie die Splitter einer unglaublich symmetrischen Explosion. Verrostete Feuerwaffen über abgedeckten Kaminen richteten sich wichtigtuerisch gegeneinander.
    Es gab ein oder zwei matt gewordene Gemälde und abgewetzte Teppiche an den Wänden, aber an den freien Stellen hätten noch etliche mehr Platz gehabt. Große dreieckige Fenster aus farbigem Glas warfen Lichtkeile auf das Mosaik und das Holz. An den weißen Steinwänden ragten rote Pfeiler nach oben, und diese trugen riesige schwarze Holzbalken, die sich über die Länge des Saals spannten wie ein Riesenzelt aus eckigen Fingern.
    Der junge Mann stieß mit dem Fuß einen antiken Stuhl in eine ihm genehme Stellung und ließ sich darauf plumpsen. »Von welchem blauen Blut sprichst du?«, sagte er. Seine eine Hand ruhte auf der Platte des großen Tisches, die andere hob er zum Kopf und strich sich damit über den Schädel, als ob er durch dichtes, langes Haar führe, obwohl sein Kopf in Wirklichkeit kahl rasiert war.
    »Häh?«, sagte die Stimme. Anscheinend kam sie von irgendwo unter dem Tisch, neben dem der junge Mann saß.
    »Welche Verbindungen zur Aristokratie hast du jemals gehabt, du betrunkener alter Landstreicher?« Der junge Mann rieb sich die Augen mit geballten Fäusten und massierte sich dann mit geöffneten Händen den Rest des Gesichts.
    Es folgte eine ziemlich lange Pause.
    »Na ja, ich bin einmal von einer Prinzessin gebissen worden.«
    Der junge Mann sah hinauf zur Decke mit den Stichbalken und schnaubte durch die Nase. »Unzureichende Beweisführung.«
    Er stand auf und ging wieder auf den Balkon hinaus. Er nahm ein Fernglas von der Ummauerung und sah hindurch. Er schnalzte mit der Zunge, schwankte und ging zu den Fenstern zurück, um sich an einen Rahmen anzulehnen, damit sein Sichtfeld nicht wackelte. Er spielte mit der Scharfeinstellung herum, schüttelte dann den Kopf und legte das Fernglas wieder auf die Steinmauer, verschränkte die Arme, lehnte sich an die Wand und blickte hinaus auf die Stadt.
    Eine zusammengebackene Masse; braune Dächer und grobe Giebel, wie Krusten und Kanten von Brot; Staub wie Mehl.
    Dann, unter der Wucht der Erinnerung, wurde der schillernde Anblick vor ihm für einen kurzen Moment grau und anschließend schwarz, und ihm fiel eine andere Zitadelle ein: die dem Untergang geweihte Zeltstadt auf dem Paradeplatz darunter, als die Scheiben in den Fenstern zitterten; das junge Mädchen – das jetzt tot war – zusammengerollt in einem Sessel, in einem Turm im Winterpalast. Er erschauderte trotz der Hitze und verdrängte die Erinnerungen.
    »Wie ist das mit dir?«
    Der junge Mann drehte sich um und sah nach hinten in den Saal. »Was meinst du?«
    »Hattest du je… ähm… Verbindungen zu… ähm… besseren Kreisen?«
    Der junge Mann machte plötzlich ein ernstes Gesicht. »Ich habe einmal…«, setzte er an, dann zögerte er. »Ich kannte mal jemanden… Sie war fast eine Prinzessin. Und ich habe einen Teil von ihr in mir getragen, wenigstens eine Zeit lang.«
    »Sag das noch mal. Du hast einen Teil von ihr…?«
    »In mir getragen, wenigstens eine Zeit lang.«
    Pause. Dann die höfliche Frage: »Hätte das nicht irgendwie umgekehrt sein müssen?«
    Der junge Mann hob die Schultern. »Es war eine merkwürdige Beziehung.«
    Er wandte sich wieder der Stadt zu und hielt Ausschau nach Rauch oder Menschen oder Tieren oder Vögeln oder irgendetwas, das sich bewegte, doch das Bild, das sich ihm bot, hätte ebenso gut auf einen Hintergrund aufgemalt sein können; nur die Luft bewegte sich und bewirkte ein Flimmern der Sicht. Er überlegte, wie man einen Hintergrund schütteln könnte, damit der gleiche Eindruck entstünde, doch dann ließ er von dem Gedanken ab.
    »Siehst du irgendwas?«, brummte die Stimme unter dem Tisch.
    Der junge Mann sagte nichts, sondern rieb sich die Brust durch das Hemd und die offene Jacke. Es war eine Generalsjacke, obwohl er kein General war.
    Er trat wieder vom Fenster zurück und nahm einen großen Krug von einem der niedrigen Tische an der Wand. Er hob sich den Krug über den Kopf und kippte ihn vorsichtig um, die Augen geschlossen, das Gesicht emporgehoben. In dem Krug war kein Wasser, also geschah gar nichts. Der junge Mann seufzte, betrachtete flüchtig das aufgemalte Segelschiff auf dem Bauch des leeren Kruges und stellte ihn sanft zurück auf den Tisch, genau an die Stelle, wo er gestanden hatte.
    Er schüttelte den Kopf und wandte sich ab, um

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