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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Achseln. »Wie gesagt, einige Leute würden sagen, sie sind zu weich.« Er nahm die kleine Pistole vom Fußbrett des Bettes und schob sie in eine seiner Hosentaschen.
    Der Mann stand langsam auf. Des Ethnarchen Herz pochte immer noch heftigst, doch Tränen füllten jetzt seine Augen.
    Der junge Mann bückte sich, hob einige Kleidungsstücke auf und warf sie dem Ethnarchen zu, der sie auffing und sich an die Brust drückte.
    »Mein Angebot steht«, sagte der Ethnarch Kerian. »Wenn du willst, bekommst du von mir…«
    »Ich will Erfüllung in meiner Arbeit finden«, erklärte der junge Mann seufzend und betrachtete die Fingernägel einer seiner Hände. »Das ist das Einzige, was du mir verschaffen kannst, Ethnarch. Ich bin an nichts anderem interessiert. Zieh dich an, denn du gehst von hier fort.«
    Der Ethnarch machte sich daran, sich das Hemd anzuziehen. »Bist du sicher? Ich glaube, ich habe einige neue Laster erfunden, die nicht einmal im alten Reich bekannt waren. Ich bin bereit, dich daran teilhaben zu lassen.«
    »Nein, danke.«
    »Was sind das überhaupt für Leute, von denen du dauernd sprichst?« Der Ethnarch knöpfte sich das Hemd zu. »Und darf ich jetzt vielleicht mal deinen Namen erfahren?«
    »Zieh dich an.«
    »Nun, ich denke, wir könnten zu so etwas wie einer Abmachung kommen…« Der Ethnarch befestigte seinen Kragen. »Und obwohl das alles ziemlich lächerlich ist, sollte ich wohl dankbar sein, dass du kein Meuchelmörder bist, was?«
    Der junge Mann lächelte und schien einen Fingernagel zu reinigen. Er schob die Hände in die Hosentaschen, als der Ethnarch die Bettdecke mit den Füßen beiseite stieß und seine Hose aufhob.
    »Ja«, bestätigte der junge Mann. »Der Gedanke muss ziemlich scheußlich sein, dass der Tod nahe bevorsteht.«
    »Sicher kein besonders erfreuliches Erlebnis«, stimmte ihm der Ethnarch zu, während er zuerst mit einem Bein in die Hose stieg, dann mit dem anderen.
    »Aber was für eine Erleichterung, wenn man in den Genuss einer Strafaussetzung kommt.«
    »Hmm.« Der Ethnarch gab ein klägliches Lachen von sich.
    »Es ist ungefähr damit zu vergleichen, wenn man in einem Dorf umzingelt wird und glaubt, erschossen zu werden…«, sinnierte der junge Mann und blickte den Ethnarchen vom Fußende des Bettes her eindringlich an, »und dann erfährt, dass einem kein schlimmeres Schicksal als das der Umsiedlung bestimmt ist.« Er lächelte. Der Ethnarch zögerte.
    »Umgesiedelt; per Zug verfrachtet«, sagte der Mann und holte die kleine Pistole aus der Hosentasche. »In einem Zug, in dem auch deine Familie ist, alle aus deiner Straße, deinem Heimatort…«
    Der junge Mann stellte an der kleinen schwarzen Pistole etwas ein. »Und der am Schluss nichts anderes mehr enthält als die Abgase des Motors und eine Menge toter Menschen.« Er lächelte gequält. »Was denkst du, Ethnarch Kerian? Etwas in der Art?«
    Der Ethnarch bewegte sich nicht mehr und starrte mit aufgerissenen Augen die Pistole an.
    »Diese guten Leute nennen sich ›die Kultur‹«, erklärte der junge Mann. »Und ich habe sie tatsächlich immer für zu weich gehalten.« Er streckte den Arm mit der Pistole aus. »Ich arbeite seit einiger Zeit nicht mehr für sie. Ich bin jetzt freiberuflich tätig.«
    Der Ethnarch, unfähig zu sprechen, sah in die uralten dunklen Augen über dem Lauf der schwarzen Pistole.
    »Ich«, sagte der Mann »heiße Cheradenine Zakalwe.« Er senkte die Pistole auf die Höhe der Nase des Ethnarchen. »Du heißt Tod.«
    Er schoss.
    Der Ethnarch hatte den Kopf zurückgelegt und fing an zu schreien; deshalb durchbohrte der einzige Schuss seinen Gaumen, bevor er im Innern seines Schädels explodierte.
    Gehirnmasse klatschte an das geschnitzte Kopfbrett. Der Körper sackte in die samtweichen Bettücher und zuckte noch einmal heftig, wobei er Blut verspritzte.
    Er beobachtete, wie das Blut eine Lache bildete. Er blinzelte ein paar Mal.
    Dann schälte er sich mit langsamen Bewegungen aus den grellen Kleidungsstücken. Er stopfte sie in einen kleinen schwarzen Rucksack. Der einteilige Anzug darunter war schattendunkel.
    Er entnahm dem Rucksack eine mattschwarze Maske und hängte sie sich um den Hals, zog sie sich jedoch noch nicht übers Gesicht. Er ging ans Kopfende des Bettes und löste ein kleines durchsichtiges Klebepflaster vom Hals des schlafenden Mädchens; dann begab er sich in die dunkle Tiefe des Raums und zog sich unterdessen die Maske übers Gesicht.
    Mithilfe des Nachtsichtgeräts

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