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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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eingestanden hätte – und die selbst die Zauberer nicht entdeckt hatten –, stellte er fest, dass er letzten Endes das Gewicht dieser Last nur noch vergrößert hatte, und seine Fähigkeit des Ertragens war nicht unbegrenzt.
    Und manchmal erzählte er ihr von einer anderen Zeit und einem anderen Ort, weit weg im Raum und weit weg in der Zeit und noch weiter weg in der Geschichte, als vier Kinder gemeinsam in einem weitläufigen und wunderschönen Garten gespielt hatten und zusehen mussten, wie ihre Idylle von Gewehrfeuer zerstört wurde, und von dem Jungen, der zum Jugendlichen und dann zum Mann heranwuchs und der fortan eine übergroße Liebe zu einem Mädchen im Herzen trug. Jahre später erzählte er ihr, dass ein kleiner, aber grauenvoller Krieg an diesem weit entfernten Ort ausgetragen worden war und der Garten verwüstet dalag. (Und nach und nach verlor der Mann das Mädchen aus dem Herzen.) Endlich, wenn er sich selbst schon fast in Schlaf geredet hatte, wenn die Nacht am dunkelsten war und die Frau sich längst im Land der Träume befand, flüsterte er ihr manchmal etwas ins Ohr über ein großes Kriegsschiff, ein großes metallenes Kriegsschiff, längst in Stein zur Ruhe gebettet, aber immer noch Furcht erregend und schrecklich und kraftvoll, und von den beiden Schwestern, die das Gleichgewicht des Schicksals dieses Kriegsschiffes ausmachten, und über ihr eigenes Schicksal, und über den Stuhl und über den Stuhlmacher.
    Dann pflegte er einzuschlafen, und wenn er aufwachte, waren jedes Mal die Frau und das Geld verschwunden.
    Er drehte sich dann zu der dunklen Teerpappe um und suchte den Schlaf, doch er fand ihn nicht, also stand er auf, zog sich an und ging hinaus, um den sich bis zum Horizont erstreckenden Strand erneut abzusuchen, unter dem blauen Himmel oder dem schwarzen Himmel, unter den kreisenden Meeresvögeln, die ihre bedeutungslosen Lieder aufs Meer hinaus und in die salzige Luft kreischten.
    Das Wetter wechselte, und weil er sich nicht die Mühe machte, es herauszufinden, wusste er nie, welche Jahreszeit war, doch das Wetter wurde jetzt kalt und trübe, und manchmal fielen Graupelschauer, und ihn fröstelte, und Wind heulte um die dunkle Hütte, fegte durch die Spalten in den Brettern und die Teerpappe und wirbelte den lockeren Sand auf dem Hüttenboden auf wie schäbige Erinnerungen.
    Manchmal türmte sich der Sand im Innern der Hütte, hereingeweht aus dieser oder jener Richtung, und er schaufelte ihn sorgsam auf und warf ihn durch die Tür hinaus, übergab ihn dem Wind wie ein Opfer, um auf den nächsten Sturm zu warten.
    Er hegte immer den Verdacht, dass sich diese langsamen sandigen Fluten nach einem bestimmten Muster vollzogen, doch er konnte sich nicht zu dem Versuch überwinden herauszufinden, wie dieses Muster beschaffen war. Jedenfalls musste er alle paar Tage seinen kleinen holpernden Holzkarren in die Parkstadt schieben, um seine vom Meer erhaltenen Waren zu verkaufen, Geld einzunehmen und damit Nahrung zu kaufen und das Mädchen bezahlen zu können, das alle fünf oder sechs Tage in die Hütte kam.
    Die Parkstadt war jedes Mal verändert, wenn er hinkam, Straßen waren geschaffen worden oder hatten sich in nichts aufgelöst, entsprechend der Fluktuation der Wohnfahrzeuge; es hing alles davon ab, wo die Leute beschlossen zu parken. Es gab ein paar verhältnismäßig feststehende Merkmale, wie zum Beispiel das Grundstück des Sheriffs und das Treibstoffdepot und der Schmiedewagen und das Gelände, wo die Beleuchtungstechnik-Lieferwagen ihren Verkauf tätigten, doch auch diese wandelten sich im Lauf der Zeit, und alles ringsum war in ständigem Fluss, sodass die Geografie der Parkstadt bei zwei Besuchen niemals dieselbe war. Diese unvollkommene Beständigkeit bereitete ihm eine geheime Befriedigung, und er hasste seine Besuche dort gar nicht so sehr, wie er immer tat.
    Die Straße dorthin war löcherig und aufgeweicht, und sie wurde niemals kürzer; er hoffte stets, die zufällige Verschiebung der Parkstadt würde ganz allmählich ihr Gewühle und ihr Licht näher zu ihm hin verlagern, doch das geschah nie, und er konnte sich mit dem Gedanken trösten, wenn die Parkstadt näher bei ihm wäre, dann wären es auch die Leute und ihre aufdringliche Neugier.
    Es gab ein Mädchen in der Parkstadt, die Tochter eines der Händler, mit denen er Geschäfte machte, die offenbar mehr für ihn übrig hatte als die anderen; sie brachte ihm Getränke und Süßigkeiten vom Lieferwagen ihres Vaters;

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