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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Erklärung ansetzte, und dann legte sie ihm die kühlen, schlanken Finger in den Nacken und sah ihn unter dem wilden Wust ihrer schwarzer Haare hervor an, »du hast ernsthafte Probleme«; und dann lächelte sie.) Doch die Gefühle, die Handlungen und die Struktur von beidem lagen seiner Ansicht nach so nahe beieinander, waren so offensichtlich wesensverwandt, dass eine solche Reaktion ihn nur noch tiefer in Verwirrung stürzte.
    Doch er versuchte, sich darüber keine Sorgen zu machen; er konnte sie jederzeit einfach ansehen und sich in seine Anbetung für sie hüllen wie in einen Mantel an einem kalten Tag; und er konnte ihr Leben und ihren Körper, ihre Stimmungen und ihren Gesichtsausdruck, ihre Sprache und ihre Bewegungen als ein gesamtes bezauberndes Forschungsgebiet betrachten, in das er sich versenken konnte wie ein Gelehrter, der sein Lebenswerk gefunden hat.
    (Das trifft die Sache mehr, sagte eine kleine mahnende Stimme in seinem Innern. Das entspricht mehr der Art, wie es sein soll; damit kannst du all das andere Zeug vergessen, die Schuldgefühle und die Geheimniskrämerei und die Lügen; das Schiff und den Stuhl und den anderen Mann… Aber er versuchte, nicht auf diese Stimme zu hören.)
     
    Sie waren sich in einer Hafenbar begegnet. Er war gerade angekommen und hatte sich gedacht, er sollte sich vergewissern, ob der heimische Alkohol wirklich so gut war, wie die Leute behaupteten. Er war es. Sie saß in der Nische nebenan und versuchte, einen Mann loszuwerden.
    Du sagst, nichts währt ewig, hörte er den Kerl jammern. (Na ja, ziemlich abgedroschen, dachte er.)
    Nein, vernahm er ihre Entgegnung. Ich sage, dass mit einigen ganz wenigen Ausnahmen nichts ewig währt, und zu diesen Ausnahmen gehört kein Werk und kein Gedanke eines Menschen.
    Sie sprach danach noch weiter, doch bei ihm hatte sich diese Bemerkung eingenistet. Das war nicht schlecht, dachte er. Das hat mir gefallen. Es hört sich interessant an. Ich frage mich, wie sie wohl aussieht?
    Er streckte den Kopf um die Ecke in die angrenzende Nische und sah zu den beiden hinein. Der Mann war in Tränen aufgelöst; die Frau war…, nun, eine Unmenge Haar…, ein sehr auffallendes Gesicht, scharf und fast aggressiv. Ein recht erfreulicher Körper.
    »Entschuldigung«, sagte er. »Aber ich wollte nur darauf hinweisen, dass ›nichts währt ewig‹ durchaus eine positive Äußerung sein kann… Na ja, zumindest in einigen Sprachen.« Nachdem er das gesagt hatte, fiel ihm ein, dass es in dieser Sprache nicht der Fall war; sie hatten hier unterschiedliche Worte für unterschiedliche Dinge. Er blickte verlegen auf den Drink vor sich. Dann zuckte er die Achseln und bediente eine Klingel, um einen Kellner heranzurufen.
    Ein Schrei drang aus der Nische nebenan. Ein Scheppern und ein kleines schrilles Kreischen folgten. Er drehte sich um und sah den Mann, der durch die Bar davonstürzte, in Richtung Tür.
    Das Mädchen erschien neben ihm. Sie war triefnass.
    Er hob den Blick zu ihrem Gesicht; es war feucht, und sie wischte es mit einem Taschentuch ab.
    »Danke für Ihren Beitrag zu unserer Unterhaltung«, sagte sie in eisigem Ton. »Ich war auf dem besten Wege, die Dinge elegant zu lösen, da mussten Sie sich einmischen.«
    »Es tut mir sehr Leid«, sagte er, was nicht stimmte.
    Sie nahm ihr Taschentuch und wrang es über seinem Glas aus; Tropfen fielen plätschernd hinein. »Hmm«, sagte er, »zu liebenswürdig.« Er deutete mit einem Kopfnicken auf die dunklen Flecken auf ihrem grauen Mantel. »Ihr Drink oder seiner?«
    »Beide«, antwortete sie, während sie ihr Taschentuch zusammenfaltete und sich abwandte.
    »Bitte, darf ich Sie zu einem Ersatz einladen?«
    Sie zögerte. In diesem Moment erschien der Kellner. Gutes Omen, dachte er. »Ach«, sagte er zu dem Mann, »ich hätte gern noch ein… was immer es war, das ich getrunken habe, und für die Dame…«
    Sie warf einen Blick auf sein Glas. »Das Gleiche«, sagte sie. Sie setzte sich ihm gegenüber an den Tisch.
    »Nehmen Sie es als… Reparation«, sagte er, nachdem er dieses Wort aus seinem implantierten Vokabular ausgegraben hatte, das er für diesen Besuch mitbekommen hatte.
    Sie machte ein verdutztes Gesicht. »›Reparation‹ – das ist ein Begriff, den ich ganz vergessen hatte; es hat etwas mit Krieg zu tun, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte er, während er mit einer Hand ein Rülpsen kaschierte. »So etwas wie… Schadenswiedergutmachung?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ein wundervoll origineller

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