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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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den Holzsteg traten. »Inflation.«
    Sma runzelte die Stirn. »Was ist das?«

 
ZWEITER TEIL
EIN AUSFLUG

 
IX
     
     
    Wenn man neben einem Kopf voller Bilder schläft, entsteht so etwas wie eine Osmose; man teilt mit ihm diese Bilder während der Nacht. Solche Gedanken machte er sich. Er machte sich zu jener Zeit viele Gedanken, vielleicht mehr denn je. Oder vielleicht war ihm der Vorgang einfach deutlicher bewusst als sonst, wie auch die Eigenart des Denkens und der verrinnenden Zeit. Manchmal hatte er das Empfinden, dass jeder mit ihr verbrachte Augenblick ein wertvolles Gefühlskleinod war, das liebevoll eingepackt und sorgsam an einem unangreifbaren Ort aufbewahrt werden musste, geschützt vor jedem Schaden.
    Doch das wurde ihm erst später so richtig klar; zu jener Zeit war ihm das noch nicht ganz ins Bewusstsein gedrungen. Zu jener Zeit schien ihm nur eins ganz ins Bewusstsein gedrungen zu sein, und das war sie.
    Oft lag er da und betrachtete ihr schlafendes Gesicht in dem neuen Licht, das durch die offenen Wände des fremden Hauses hereinfiel, und er starrte mit offenem Mund ihre Haut und ihre Haare an, gebannt von ihrer schweigenden Unbeweglichkeit, überwältigt von der Tatsache ihrer körperlichen Existenz, als ob sie irgendein sorgloses Sternending wäre, das ohne die geringste Ahnung von seiner glühend heißen Macht ruhig weiterschlief; die Lässigkeit und Entspanntheit, mit der sie schlief, verblüffte ihn; er konnte nicht glauben, dass so viel Schönheit überleben konnte ohne eine übermenschliche Anstrengung des Bewusstseins.
    In solchen Morgenstunden liebte er es, dazuliegen und sie zu betrachten und den Geräuschen zu lauschen, die das Haus im Wind erzeugte. Er mochte das Haus, es erschien ihm… passend. Normalerweise hätte er es verabscheut.
    Hier und jetzt schätzte er es jedoch und sah voller Glück darin ein Symbol; offen und geschlossen, schwach und stark, außen und innen. Als er es zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er befürchtet, es würde beim ersten ernsthaften Sturm davonfliegen, doch offenbar konnten diese Häuser einiges aushalten. Bei den seltenen Stürmen pflegten die Leute sich in die Mitte der Gebäude zurückzuziehen und sich dicht um den Hauptkamin zusammenzudrängen; sie ließen die verschiedenen Wandschichten und Lagen von Abdeckungen beben und auf ihren Balken wackeln, bis sie die Kraft des Windes allmählich abschwächten und einen schützenden Kern boten.
    Trotzdem – wie er zu ihr gesagt hatte, als er es zum ersten Mal von der einsamen Meeresstraße her sah – wäre es leicht in Brand zu stecken und mühelos zu berauben, so wie es hier draußen in der Einöde lag. (Sie hatte ihn angesehen, als ob er verrückt wäre, doch dann hatte sie ihn geküsst.)
    Diese Angreifbarkeit beunruhigte und bekümmerte ihn. Darin bestand eine Ähnlichkeit zu ihr; zu ihr als Dichterin und als Frau. Sie war, so vermutete er, einem ihrer Bilder ähnlich, den Symbolen und Metaphern, die sie in ihren Gedichten verwendete; er liebte es, ihr zuzuhören, wenn sie sie laut vorlas, obwohl er sie nie ganz begriff (zu viele kulturelle Anspielungen sowie diese verwirrende Sprache, die er noch nicht ganz verstanden hatte und durch deren falschen Gebrauch er sie häufig zum Lachen brachte). Ihre körperliche Beziehung erschien ihm vom ersten Moment an mehr als etwas Ganzes und Vollkommenes und auf herausfordernde Weise Kompliziertes als alles Derartige, was er je erlebt hatte. Der Widersinn, dass körperliche, fleischliche Liebe und ein höchst persönlicher Angriff ein und dasselbe waren, bereitete ihm Magenschmerzen, führte manchmal zu Übelkeit, während er sich auf dem Höhepunkt der Freude bemühte zu verstehen, welche Äußerungen und Versprechen wohl darin enthalten sein mochten.
    Der Geschlechtsakt war ein Überfall, ein Angriff, eine Invasion, er konnte es nicht anders sehen; denn in jedem Beisammensein, wie zauberhaft und lustvoll es auch sein mochte und wie bereitwillig es geschah, schienen die Harmonien der Raubgier anzuklingen. Er nahm sie, und wie sehr sie durch die geweckte Lust und seine zunehmende Liebe auch gewann, war sie doch diejenige, die den Akt erlitt, die ihn auf sich und in sich erdulden musste. Er war sich der Absurdität seines eifrigen Bemühens bewusst, einen Vergleich zwischen Sex und Krieg zu ziehen; er war in verschiedenen peinlichen Situationen, als er das versucht hatte, ausgelacht worden. (»Zakalwe«, pflegte sie zu sagen, wenn er zu einer derartigen

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