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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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kaum; er schlug ein wenig mit den Armen und wischte noch ein paar weitere Guano-Kotkügelchen weg, doch der Kreis von geduldigen Vögeln drängte sich um ihn, wartete auf seinen Tod, sah einfach zu, ohne sich täuschen zu lassen von seinem unangemessenen pseudofliegerischen Verhalten.
    »Ja, ja, schon gut«, murmelte er und sackte zurück; er umklammerte seine Brust und starrte in den leeren blauen Himmel hinauf. Was war denn überhaupt so schlimm an einem Stuhl? Er kroch weiter.
    Er schleppte sich um eine kleine Pfütze, scharrte sich einen Weg durch die kleinen dunklen Kotkügelchen, die die Vögel hinterlassen hatten, und schlug ab einem bestimmten Punkt die Richtung zum See ein. Weiter kam er nicht, dann hielt er an, machte kehrt, wich wieder der Pfütze aus, scharrte die schwarzen Vogelkotkügelchen zur Seite und entschuldigte sich bei den kleinen Insekten, die er durch dieses Tun störte. Als er zu der Stelle zurückkam, wo er zuvor gewesen war, hielt er inne und machte eine Bestandsaufnahme.
    Die warme Brise trug den Geruch von Schwefel vom See her zu ihm heran.
    … Und wieder war er in dem Garten und erinnerte sich an den Duft der Blumen.
     
    Einst hatte es ein großes Haus gegeben, das auf einem Anwesen stand, welches auf drei Seiten von einem breiten Fluss gesäumt war, auf halbem Weg zwischen den Bergen und der See. Das Gelände war geprägt von einem üppigen alten Baumbestand und Weideland mit reichlich grasenden Tieren; es gab sanft geschwungene Hügel, in denen scheue wilde Tiere hausten, und gewundene Pfade und gewundene Flüsse, über die kleine Brücken führten; es gab Tollheiten und lauschige Laubengänge und Gelächter, Zierteiche und verschwiegene ländliche Sommerhäuser.
    Im Lauf der Zeit waren viele Generationen, viele Kinder in dem großen Haus geboren worden und aufgewachsen und hatten in den herrlichen Gärten ringsum gespielt, doch es gab insbesondere vier, deren Geschichte für Leute von Bedeutung wurde, die weder das Haus je gesehen noch den Namen der Familie je gehört hatten. Zwei der Kinder waren Schwestern, genannt Darckense und Livueta; einer der Knaben war ihr älterer Bruder, genannt Cheradenine, und sie alle entstammten derselben Familie: Zakalwe. Das letzte Kind war nicht mit ihnen verwandt, sondern der Spross einer Familie, die seit langem mit der ihren verbündet war; sein Name war Elethiomel.
    Cheradenine war der ältere Junge; er konnte sich noch an das Aufhebens erinnern, als Elethiomels Mutter in das große Haus kam; hochschwanger, in Tränen aufgelöst, umgeben von wichtigtuerischen Dienern und riesigen Wächtern und weinenden Zofen. Ein paar Tage lang galt alle Aufmerksamkeit im Haus anscheinend der Frau mit dem Kind unter dem Herzen, und er – obwohl seine Schwestern vergnügt weiterspielten, froh über die verminderte Wachsamkeit ihrer Kindermädchen und Aufpasser – hegte bereits einen Widerwillen gegen das ungeborene Baby.
    Die Abteilung der königlichen Kavallerie kam eine Woche später zu dem Haus, und er erinnerte sich, wie sein Vater draußen auf der breiten Treppe stand, die in den Innenhof hinunterführte, und ruhig sprach, während seine eigenen Männer leise durch das Haus huschten und an jedem Fenster Position bezogen. Cheradenine rannte los, um seine Mutter zu suchen, und beim Laufen durch die Korridore hielt er einen Arm vor sich ausgestreckt, als ob er Zügel hielt, und mit der anderen Hand schlug er sich mit einem Eins-zwei-drei-eins-zwei- drei-Klatschen auf die Hüfte, als ob er ein Kavallerist wäre. Er fand seine Mutter bei der Frau mit dem Kind im Leib; die Frau weinte, und er wurde weggeschickt.
    Der Junge wurde in jener Nacht geboren, begleitet von lauten Schreien.
    Cheradenine fiel auf, dass sich danach die Atmosphäre im Haus entschieden änderte, und alle waren plötzlich noch geschäftiger als zuvor und nicht mehr ganz so bedrückt.
    Ein paar Jahre lang konnte er den kleineren Jungen drangsalieren, doch dann begann Elethiomel, der schneller wuchs als er, sich zur Wehr zu setzen, und es entwickelte sich eine unbehagliche Waffenruhe zwischen den beiden Knaben. Sie wurden von Hauslehrern unterrichtet, und Cheradenine merkte allmählich, dass Elethiomel ihr Liebling war, da er immer alles rascher lernte als er; ständig wurde er gelobt, weil sich seine Fähigkeiten so früh herausbildeten, stets bezeichnete man ihn als seinem Alter voraus und aufgeweckt und gescheit. Cheradenine strengte sich sehr an, es ihm gleichzutun, und erntete mäßige

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