Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
Anerkennung dafür, dass er nicht einfach aufgab, doch er hatte nie das Gefühl, ganz für voll genommen zu werden. Ihre Lehrer im Fach Kriegshandwerk verteilten ihre Gunst etwas gleichmäßiger; Cheradenine war besser im Ringen und Schlagen; Elethiomel hingegen war geschickter im Umgang mit Schusswaffen und Klingen – unter sorgsamer Beobachtung; der Junge konnte sich manchmal allzu sehr davon hinreißen lassen –, obwohl Cheradenine ihm wahrscheinlich ebenbürtig war, was den Gebrauch eines Dolches anging.
    Die zwei Schwestern liebten sie beide, ohne Unterschied, und sie spielten während der langen Sommer und der kurzen, kalten Winter zusammen und – mit Ausnahme des ersten Jahrs, in dem Elethiomel geboren wurde – verbrachten jeweils einen Teil des Frühlings und des Herbstes in der großen Stadt, weit unten am Fluss, wo die Eltern von Darckense, Livueta und Cheradenine ein geräumiges Stadthaus unterhielten. Keins der Kinder mochte jedoch diesen Ort; der Garten dort war so klein und die öffentlichen Parks so überlaufen. Elethiomels Mutter war immer stiller als sonst, wenn sie in die Stadt umsiedelten, und weinte häufiger; oft ging sie für ein paar Tage weg, wobei sie vor ihrem Aufbruch immer sehr aufgeregt war und bei der Rückkehr schluchzte.
    Einmal, als sie sich in der Stadt aufhielten, im Herbst, und die vier Kindern den gereizten Erwachsenen aus dem Weg gingen, kam ein Kurier ins Haus.
    Sie konnten nicht umhin, die Schreie zu hören, also unterbrachen sie ihren Spielzeugkrieg und rannten aus dem Kinderzimmer ins Treppenhaus, um durch das Geländer in die große Halle hinunterzuspähen, wo der Kurier mit gesenktem Kopf stand und Elethiomels Mutter schrie und kreischte. Cheradenines, Livuetas und Darckenses Mutter und Vater hielten sie gemeinsam fest und redeten beruhigend auf sie ein. Schließlich schickte ihr Vater den Kurier mit einer Handbewegung weg, und die hysterische Frau sank schweigend zu Boden, ein zerknülltes Stück Papier in der Hand.
    In diesem Moment blickte ihr Vater nach oben und sah die Kinder; doch sein Blick galt Elethiomel, nicht Cheradenine. Bald darauf wurden sie alle zu Bett geschickt.
    Als sie einige Tage später ins Landhaus zurückkehrten, weinte Elethiomels Mutter die ganze Zeit und kam zu den Mahlzeiten nicht herunter.
     
    »Dein Vater war ein Mörder. Man hat ihn mit dem Tode bestraft, weil er viele Leute umgebracht hat.« Cheradenine saß mit baumelnden Beinen auf dem Rand einer Steinbrüstung. Es war ein herrlicher Tag im Garten, und in den Bäumen säuselte der Wind. Die Schwestern lachten und kicherten im Hintergrund und pflückten Blumen aus den Beeten in der Mitte des Steinbootes. Das steinerne Schiff befand sich im westlichen See, mit dem Garten durch einen kleinen Steindamm verbunden. Sie hatten eine Zeit lang Piraten gespielt und dann angefangen, die Blumenbeete auf dem oberen der beiden Bootsdecks zu untersuchen. Cheradenine hatte eine Sammlung von Kieselsteinen neben sich und warf sie, einen nach dem anderen, in das stille Wasser hinunter, wodurch er kleine Wellen erzeugte, die wie eine Bogenzielscheibe aussahen; er versuchte, immer wieder dieselbe Stelle zu treffen.
    »Das hat er nicht getan«, sagte Elethiomel und stieß mit dem Fuß gegen die Brüstung, den Blick gesenkt. »Er war ein guter Mann.«
    »Wenn er gut war, warum hat ihn der König dann töten lassen?«
    »Ich weiß nicht. Die Leute müssen üble Geschichten über ihn verbreitet haben. Gelogen haben sie.«
    »Aber der König ist klug«, sagte Cheradenine triumphierend, während er einen weiteren Kieselstein in die sich ausdehnenden Wellenkreise warf. »Klüger als alle anderen. Deshalb ist er König. Er hätte es gewusst, wenn die anderen gelogen hätten.«
    »Das ist mir egal«, entgegnete Elethiomel halsstarrig. »Mein Vater war kein schlechter Mensch.«
    »Doch, das war er, und deine Mutter muss ebenfalls schrecklich böse gewesen sein, sonst hätte man ihr nicht befohlen, während all der Zeit in ihrem Zimmer zu bleiben.«
    »Sie war nicht böse!« Elethiomel sah zu dem anderen Jungen hoch und spürte, wie sich in seinem Kopf etwas aufbaute, irgendwo hinter der Nase und den Augen. »Sie ist krank. Sie kann ihr Zimmer nicht verlassen!«
    »Das behauptet sie«, sagte Cheradenine.
    »Seht mal! Millionen Blumen! Schaut her, wir werden Parfüm daraus machen; möchtet ihr helfen?« Die beiden Schwestern kamen von hinten angerannt, die Arme voller Blumen. »Elly…« Darckense versuchte,

Weitere Kostenlose Bücher