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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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tätig wie früher. Hat sein Leben inzwischen ganz und gar in den Dienst der Forschung gestellt. Aber immer noch faszinierend, wie ich sagte.«
    Er zuckte die Achseln. »Nun… vielleicht. Ich werde darüber nachdenken. Ich habe eigentlich erwogen abzureisen, nach dem verrückten Vorfall heute Morgen.«
    »Oh, bitte überlegen Sie sich das gut, Mr. Staberinde. Bitte, schlafen Sie erst mal darüber. Sie würden uns allen einen Gefallen tun, wenn Sie mit dem alten Knaben sprechen würden. Wer weiß, vielleicht würden Sie sogar dazu beitragen, dass er noch ganz groß herauskommt.« Er streckte eine Hand in Richtung Tür aus. »Aber ich sehe Ihnen an, dass Sie gehen möchten. Erlauben Sie, dass ich Sie zum Wagen begleite.« Sie gingen zur Tür. Mollen trat zur Seite. »Oh, das hier ist Mollen. Sag guten Tag, Mollen.« Der grauhaarige Mann berührte einen kleinen Kasten an seiner Seite.
    »Guten Tag«, sagte dieser.
    »Mollen kann nicht sprechen, wissen Sie. Während der ganzen Zeit, seit wir ihn kennen, hat er kein einziges Wort von sich gegeben.«
    »Ja«, sagte die Frau. Sie war jetzt vollkommen im Sessel versunken. »Wir kamen zu dem Schluss, dass sein Hals freigeräumt werden müsste, also haben wir ihm die Zunge herausgenommen.« Es war nicht klar zu unterscheiden, ob sie kicherte oder rülpste.
    »Wir haben uns bereits kennen gelernt.« Er nickte dem großen Mann zu, dessen Gesicht sich unter den Narben seltsam verzerrte.
    Die Party im Keller des Bootshauses war noch im Gange. Er wäre fast mit einer Frau zusammengestoßen, die die Augen am Hinterkopf hatte. Einige der Zecher tauschten jetzt Gliedmaßen aus. Einige protzten mit vier Armen, andere hatten keinen einzigen (und baten darum, dass ihnen die Drinks zum Mund geführt wurden); manche zierte ein drittes Bein oder Arme und Beine des falschen Geschlechts. Eine Frau spazierte mit einem Mann in zwei Teilen herum, der ein krankhaft blödes Grinsen im Gesicht trug; die Frau hob andauernd den Rock und stellte eine komplette Ausstattung mit männlichen Sexualorganen zur Schau.
    Er hoffte, dass sie am Ende des Abends schließlich alle vergessen hätten, was zu wem gehörte.
    Sie gingen durch die geistlose Party, wo Feuerwerkskörper kühle Funken auf die Versammelten herabregnen ließen; sie alle lachten darüber und vollführten – ihm fiel keine andere Beschreibung an – alberne Kapriolen.
    Er wurde verabschiedet. Es war derselbe Wagen, mit dem er zurückgebracht wurde, allerdings von einem anderen Fahrer gesteuert. Er betrachtete die Lichter und die stille Schneedecke der Stadt und dachte über Menschen auf Parties und Menschen im Krieg nach; er sah die Party vor sich, die sie gerade verlassen hatten, und er sah die graugrünen Gräben, in denen schlammverkrustete Männer nervös warteten; er sah Leute in glänzendes Schwarz gekleidet, die einander auspeitschten und denen Stricke angelegt wurden… Und er sah Leute, die an Bettpfosten oder Stühle gefesselt waren und schrien, während uniformierte Männer ihr spezielles Können an ihnen demonstrierten.
    Manchmal musste er daran erinnert werden, erkannte er, dass er noch immer die Fähigkeit der Verachtung besaß. Die leere Stadt glitt vorbei.

 
VI
     
     
    Einmal – zwischen der Zeit, die er gebraucht hatte, um den Erwählten durch die zerklüftete Wüste zu bringen, und der Zeit, da er zerbrochen wie ein Insekt in der überfluteten Caldera geendet war und Zeichen in den Dreck kratzte – hatte er sich beurlauben lassen, und eine Zeit lang spielte er mit dem Gedanken, die Arbeit für die Kultur aufzugeben und stattdessen etwas anderes zu tun. Er war immer der Ansicht gewesen, dass der ideale Mensch entweder ein Soldat oder ein Poet war, und da er den größten Teil seiner Jahre der einen dieser beiden – für ihn – vollkommen gegensätzlichen Richtungen gewidmet hatte, war er entschlossen zu versuchen, seinem Leben eine Wendung zu geben und die andere einzuschlagen.
    Er lebte in einem kleinen Dorf, in einem kleinen, ländlichen Gebiet auf einem kleinen, unterentwickelten, gemächlichen Planeten. Er wohnte bei einem alten Paar in einem Häuschen zwischen den Bäumen in einem Tal unter schroffen Felsklippen. Er pflegte früh aufzustehen und ausgedehnte Wanderungen zu unternehmen.
    Die Landschaft sah unberührt und grün und frisch aus; es war Sommer, und die Felder und Wälder, die Wegesränder und Flussufer waren voll von unbekannten Blumen in allen Farben. Die hohen Bäume wogten im warmen Sommerwind, die

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