Das Kultur-Spiel
Blätter leuchtend und flatternd wie Fahnen, und Wasser floss von den Hochmooren und Hügeln und über Steingruppen in funkelnden Bächen wie ein geläutertes Konzentrat der Luft. Er stieg schwitzend auf die Kämme der zerklüfteten Hügel hinauf, kletterte auf die hochragenden Felsen ihrer Gipfel und rannte jubelnd und lachend über die breiteren Bergrücken, unter den ziehenden Schatten der kleinen, hohen Wolken.
In den Hochmooren und Bergen sah er Tiere. Winzige Geschöpfe, die unsichtbar fast direkt unter seinen Füßen weghuschten und ins Dickicht flitzten; größere, die sich mit einem Satz davonmachten und dann verharrten, sich umsahen und wieder in großen Sätzen davonsprangen und in Erdlöchern oder zwischen Felsen verschwanden; noch größere, die in Herden über weite Flächen strömten, ihn beobachteten und schließlich fast nicht mehr zu sehen waren, wenn sie anhielten, um zu grasen. Vögel bedrängten ihn lärmend, wenn er ihren Nestern zu nahe kam; andere zwitscherten irgendwo in der Nähe und schlugen mit einem Flügel, in dem Versuch, ihn abzulenken. Er achtete sorgsam darauf, nicht auf ihre Nester zu treten.
Immer nahm er ein kleines Notizbuch mit auf seine Wanderungen und schrieb gewissenhaft alles Interessante auf. Er versuchte, das Gefühl des Grases in den Händen zu beschreiben, das Raunen der Bäume, die sich dem Auge bietende Vielfalt der Blumen, die Art, wie sich Tiere und Vögel bewegten und verhielten, die Farbe der Felsen und des Himmels. Er machte sich ausführliche Aufzeichnungen in einem dickeren Tagebuch, das er zu Hause in seinem Zimmer im Häuschen der alten Leute aufbewahrte. Jeden Abend schrieb er dort seine Eintragungen nieder, als ob er Berichte für irgendeine übergeordnete Stelle verfasste.
In einem anderen großen Tagebuch hielt er seine Notizen noch mal fest und versah sie mit weiteren Notizen zu den Notizen, und dann fing er an, Worte aus den vollständigen, mit Anmerkungen versehenen Niederschriften herauszustreichen, mit Bedacht Wort für Wort aus dem Text zu entfernen, bis er etwas hatte, das wie ein Gedicht aussah. So entstand seiner Vorstellung nach Lyrik.
Er hatte einige Bücher mit Gedichten mitgebracht, und wenn das Wetter feucht war, was selten der Fall war, dann blieb er zu Hause und las sie. Meistens schlief er allerdings darüber ein. Die Bücher über Lyrik und Gedichte, die er mitgebracht hatte, verwirrten ihn noch mehr, und immer wieder musste er Abschnitte noch mal lesen und noch mal, um sich jedes Wort einzuprägen, und selbst dann kam er sich danach nicht klüger vor.
Alle paar Tage ging er in die Dorf schenke und spielte mit den Einheimischen Kiesel- und Kegelspiele. Die Morgen nach solchen Abenden betrachtete er als Erholungsphasen, und dann ließ er sein Notizbuch zu Hause, wenn er spazieren ging.
Während der übrigen Zeit betätigte er sich körperlich und hielt sich fit; er kletterte auf Bäume, um zu sehen, wie hoch er kam, bis die Äste zu dünn wurden, kletterte an Steilfelsen und alten Steinbrüchen hoch, balancierte auf umgestürzten Bäume über tiefe Schluchten, sprang von Stein zu Stein durch Flüsse, und manchmal stapfte er durch das Moor und jagte Tiere, wohlwissend, dass er sie niemals einholen konnte, und über sich selbst lachend, wie er hinter ihnen herrannte.
Die einzigen anderen Leute, denen er in der Berglandschaft begegnete, waren Bauern und Schäfer. Manchmal sah er Sklaven, die auf den Feldern arbeiteten, und ganz selten traf er andere Wanderer. Er hatte keine Lust, stehen zu bleiben und sich mit ihnen zu unterhalten.
Die einzige Person, die er regelmäßig antraf, war ein Mann, der in den hohen Bergen einen Drachen flog. Sie sahen sich nur aus der Ferne. Zunächst ergab es sich einfach nicht, dass sich ihre Wege kreuzten, doch später sorgten sie bewusst dafür, dass sie sich nicht begegneten; er schlug eine andere Richtung ein, wenn er die dürre Gestalt des Mannes auf sich zukommen sah, oder erklomm einen anderen Hügel, wenn er den kleinen roten Drachen über dem Gipfel fliegen sah, zu dem er unterwegs war. Es war zu einer Art Tradition geworden, zu einem kleinen privaten Brauch.
Die Tage vergingen. Einmal saß er auf einem Hügel und sah eine Sklavin durch die Felder unter sich rennen, durch die seltsamen, trägen Muster, die die Windströmungen in dem rotgoldenen Pelz der Landschaft geschaffen hatten. Der Pfad der Sklavin hinterließ eine Spur wie das Kielwasser eines Schiffes. Sie kam bis an den Fluss, wo der
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