Das Kultur-Spiel
berittene Aufseher des Gutsherrn sie einholte. Er beobachtete, wie der Aufseher die Frau schlug – sah, wie der lange Stock gehoben wurde und herabsauste, winzig erscheinend durch die Entfernung –, doch er hörte nichts, da der Wind in die falsche Richtung wehte. Als die Frau schließlich reglos am Flussufer lag, stieg der Aufseher von seinem Reittier und kniete neben ihrem Kopf nieder; er sah etwas aufblitzen, konnte jedoch nicht genau erkennen, was vor sich ging. Der Aufseher ritt davon; später erschienen hinkende Sklaven und holten die Frau.
Er machte sich eine Notiz.
An diesem Abend im Haus des alten Paares, nach dem Essen und als die Frau zu Bett gegangen war, berichtete er dem Mann, was er gesehen hatte. Der Mann nickte langsam, wobei er auf einer Wurzel mit leicht narkotisierender Wirkung herumkaute und Saft ins Feuer spuckte. Die Strenge des Aufsehers war allgemein bekannt, erzählte der alte Mann; er schnitt jedem Sklaven die Zunge heraus, der versuchte zu fliehen. Er hatte die Zungen zum Trocknen an einer Leine aufgefädelt und diese auf dem Anwesen des Gutsherrn über den Eingang zu den Sklavenunterkünften gespannt.
Er und der alte Mann tranken einen scharfen Kornschnaps aus kleinen Tassen, und dann erzählte ihm der Alte ein volkstümliches Märchen.
In dem Märchen wurde ein Mann, der durch den wilden Wald ging, von einigen schönen Blumen dazu verlockt, den Pfad zu verlassen, und dann sah er ein hübsches Mädchen schlafend auf einer Lichtung liegen. Er näherte sich der holden Maid, und sie wachte auf. Er setzte sich neben sie, und während sie sich unterhielten, bemerkte er, dass sie nach Blumen duftete; es war ein Duft so süß, wie er noch nie einen gerochen hatte, und so eindringlich und zu Kopf steigend, dass ihm schwindelte. Nach einer Weile, eingehüllt in den Blumenduft, bezaubert von ihrer sanften, fröhlichen Stimme und ihrem schüchternen Gebaren, bat er, sie küssen zu dürfen, und es wurde ihm schließlich gewährt; und ihre Küsse wurden leidenschaftlich, und am Ende paarten sie sich.
Doch während dieses Tuns, gleich vom ersten Moment ihrer Vereinigung an, sah der Mann jedes Mal, wenn er mit einem Auge schaute, dass sich die Frau veränderte. Wenn er sie mit dem einen Auge betrachtete, sah sie aus wie zu Anfang, doch wenn er mit dem anderen schaute, war sie älter, kein blutjunges Mädchen mehr. Mit jedem Stoß seiner Leidenschaft wurde sie älter (jedoch nur durch das eine Auge gesehen): ein voll erblühtes Weib, eine reife Frau im letzten Glanz, eine Matrone und bald eine gebrechliche Greisin. Während der ganzen Zeit konnte der Mann sie in all ihrer Jugend sehen, wenn er nur ein Auge schloss – und gewiss konnte er nicht von dem Tun lassen, das sie begonnen hatten –, doch immer wieder war er versucht, einen Blick aus dem anderen Auge zu riskieren und sich entsetzen und verblüffen zu lassen von der schrecklichen Verwandlung, die sich unter ihm vollzog.
Bei den letzten Bewegungen, die er bewusst durchführte, schloss er die Augen und öffnete beide erst wieder im Augenblick der Erfüllung, als er sah – jetzt mit beiden Augen –, dass er eine halbverfaulte Leiche begattet hatte, von der bereits Würmer und Maden Besitz genommen hatten; der Blumenduft verwandelte sich in den überwältigenden Gestank der Verwesung, und zwar auf eine Weise, die ihn wissen ließ, dass sie immer so gerochen hatte, und während seine Lenden sich noch in den Leichnam verströmten, erbrach sein Magen die letzte Mahlzeit über das halb verweste Gesicht.
Deshalb hatte der Waldgeist sein Leben an zwei Strängen erwischt und packte ihn beidhändig mit festem Griff, löste ihn aus dem Gewebe des Lebens und zog ihn hinweg in die Schattenwelt.
Dort wurde seine Seele in eine Million Stücke zerschmettert und über den Rand der Welt gestoßen; und daraus ergaben sich die Seelen aller Pollenfliegen, die den Blumen gleichzeitig neues Leben und Tod bringen.
Er dankte dem alten Mann dafür, dass er ihm dieses Märchen erzählt hatte, und erzählte seinerseits einige Geschichten, an die er sich aus seiner Kindheit erinnerte.
Ein paar Tage später rannte er im Moor einem kleinen Tier hinterher; es glitt auf dem taufeuchten Gras aus, überschlug sich und stürzte schließlich mit ausgestreckten Gliedern auf einige Steine, wo es liegen blieb und sich verzweifelt wand. Er stieß einen jubelnden Siegesschrei aus und rannte hangabwärts auf das Tier zu, während dieses zappelnd versuchte, sich aufzurichten;
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