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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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erzeugende Stillstand, belustigte ihn. Er konnte sich wieder mit seinem Körper vereinen oder sich weiter entfernen, und immer hatte er das Empfinden, dass die Dinge im Kern stimmten.
    Das Innere des Zeltes war dunkel, gefüllt mit einer dicken, schweren Atmosphäre, gleichzeitig schal und süß; schwer von Parfüm, stickig von Räucherdüften. Das ganze Ambiente war süßlich und üppig von verschwenderischer Pracht; die Wandbehänge waren dick und strotzten vor vielen Farben und wertvollen Metallfäden; der Teppich hatte einen Flor so hoch wie ein goldenes Kornfeld, und die wuchtigen, parfümierten Kissen und dicken, weichen Decken ergaben eine märchenhaft gemusterte Landschaft unter den dunklen Riefen des Daches. Weihrauchkerzen verströmten träge ihr Aroma; kleine Nachtheizbecken standen erloschen da, Traumblatthalter und Kristallkelche, juwelenbesetzte Kästchen und mit Schlössern versehene Bücher waren überall in der wogenden Stofflandschaft verteilt wie glitzernde Tempel im freien Gelände.
    Lügen. Das Zelt war kahl, und er saß auf einem mit Stroh gefüllten Sack.
    Das Mädchen beobachtete, wie er sich bewegte. Es war eine hypnotische Bewegung, zunächst kaum wahrnehmbar, doch wenn man sie einmal gesehen, wenn sich das Auge einmal daran gewöhnt hatte, wurde sie sehr deutlich und sehr faszinierend. Er wiegte sich in der Taille, immer rundherum, weder langsam noch schnell, und sein Kopf beschrieb einen abgeflachten Kreis. Das erinnerte das Mädchen an die Art, wie Rauch sich manchmal zunächst drehte, bevor er zum Abzugsloch im Dach eines Zeltes emporstieg. Die Augen des Mannes huschten jedoch wie zum Ausgleich zu dieser feinen, unaufhörlichen Bewegung in winzigen Zuckungen hin und her.
    Das Zelt war gerade groß genug, dass das Mädchen darin aufrecht stehen konnte. Es war an einer Kreuzung in der Wüste aufgeschlagen worden, wo zwei Spuren das Sandmeer durchquerten. Bestimmt wäre an dieser Stelle schon vor langer Zeit eine Ortschaft oder sogar eine Stadt entstanden, aber das nächste Wasser war drei Tagesritte weit entfernt. Das Zelt stand jetzt seit vier Tagen hier und würde vielleicht noch zwei oder drei stehen bleiben, abhängig davon, wie lange der Mann im Traumblattschlaf verharrte. Sie nahm eine Karaffe von einem kleinen Tablett und füllte eine Tasse mit Wasser. Sie ging zu dem Mann und führte ihm das Gefäß zum Mund, wobei sie ihm eine Hand unters Kinn hielt, während sie ihm vorsichtig die Tasse an die Lippen setzte.
    Der Mann trank, ohne seine Bewegung zu unterbrechen. Er wandte das Gesicht ab, nachdem er die Hälfte des Wassers aus der Tasse getrunken hatte. Sie nahm ein Tuch und tupfte ihm das Gesicht ab, um ein wenig von dem Schweiß zu entfernen.
    Erwählter, sagte er zu sich selbst. Erwählter, Erwählter, Erwählter. Ein weiter Weg zu einem fremden Ort. Das Geleit für den Erwählten durch den sengend heißen Staub und die wahnsinnigen Wüstenstämme zu den saftigen Weiden und glänzenden Türmen des Palastes Der Wohlgerüche auf der Felsklippe. Jetzt gebührte ihm eine kleine Belohnung.
    Das Zelt steht zwischen den Handelswegen, das Äußere nach innen gekehrt, der Jahreszeit angemessen, und in dem Zelt sitzt ein Mann, ein Soldat, heimgekehrt von unzähligen Kriegen, verwundet und verbrannt und zerbrochen und geheilt und verletzt und geheilt und repariert und wieder in Ordnung gebracht… Und dieses eine Mal hatte er seine Wachsamkeit aufgegeben, war er nicht auf der Hut, hatte seinen Geist einer starken, wirkungsvollen Droge anheim gegeben und seinen Körper der Pflege und dem Schutz eines jungen Mädchens.
    Das Mädchen, dessen Namen er nicht kannte, flößte ihm Wasser ein und legte ihm ein kühles Tuch auf die Stirn. Er erinnerte sich an ein Fieber, vor hundert und mehr Jahren, tausend und mehr Jahre weit weg, und an die Hände eines anderen Mädchens, kühl und zärtlich, sanft und liebkosend. Er hörte die Vögel wehklagen, draußen auf dem Rasen um das große Haus. Das Anwesen war in das Gelände in der großen Biegung des Flusses eingebettet; ein Jochbogen der Ruhe in der lebhaften Landschaft seiner Erinnerungen.
    Mit betäubender Schwere durchflutete ihn die Droge, sich windend und entwindend, ein Strom der zufälligen Ordnung. (Er erinnerte sich an einen steinigen Strand an dem Flussufer, wo das ewig fließende Wasser Schlick, Sand, Schotter, Kieselsteine, große Steine und Felsbrocken angeschwemmt hatte, und zwar in einer linearen Steigerung in Bezug auf Größe und

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