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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Gewicht; durch sein beständiges, flüssiges Gewicht ordnete es das Element Stein in einer Kurve an, wie auf einer grafischen Darstellung.)
    Das Mädchen beobachtete ihn und wartete, ruhig, weil der Fremde auf die Droge ansprach wie einer der ihren und unter ihrem Einfluss ebenfalls ruhig geworden war. Sie hoffte, dass er, wie es den Anschein hatte, ein außerordentlicher Mann war und kein gewöhnlicher, denn das würde bedeuten, dass ihre Nomadensippe nicht die einzigartig starke Rasse war, für die sie sich hielt.
    Sie hatte befürchtet, dass die Kraft der Droge zu stark für ihn wäre und dass er zerbersten würde wie ein rot glühender Topf, der in kaltes Wasser getaucht wurde, so wie es den anderen Fremden ergangen war, soweit sie gehört hatte, denn sie hatten in ihrer Überheblichkeit angenommen, das Traumblatt sei lediglich eine weitere Spielerei in ihrem genusssüchtigen Leben. Doch er hatte nicht dagegen angekämpft. Für einen, der Soldat war, der ans Kämpfen gewöhnt war, hatte er eine seltene Einsicht an den Tag gelegt, indem er sich kampflos gefügt und die Verabreichung der Droge über sich hatte ergehen lassen. Sie bewunderte dieses Verhalten bei einem Außenseiter. Sie bezweifelte, dass die Sieger dieselbe nachgiebige Stärke besaßen. Selbst einige ihrer eigenen jungen Männer – häufig die eindrucksvollsten, in jeder anderen Hinsicht – konnten die überwältigenden Gaben nicht annehmen, die das Traumblatt bescherte, sondern jaulten und faselten sich durch einen verkürzten Albtraum hindurch, nach der Mutterbrust wimmernd, pinkelnd und scheißend und weinend und ihre beschämendsten Ängste in den Wüstenwind schreiend. Selten wirkte die Droge tödlich, zumindest nicht in den beaufsichtigten Mengen, die bei den Ritualen üblich geworden waren; doch die Nachwirkungen konnten tödlich sein. Mehr als ein tapferer junger Mann hatte sich für ein Messer im Bauch entschieden, um der Schmach der Erkenntnis zu entgehen, dass das Blatt stärker als er gewesen war.
    Es war schade, so überlegte sie, dass dieser Mann nicht zu ihrer Rasse gehörte; er hätte vielleicht einen guten Ehemann abgegeben und viele starke Söhne und kluge Töchter gezeugt. Viele Ehen wurden in Traumblatt-Zelten geschlossen, und sie hatte es anfangs als Beleidigung aufgefasst, dass man sie darum bat, diesen Fremden während seiner Traum-Tage zu hüten, bis sie sich davon hatte überzeugen lassen, dass es in Wirklichkeit eine Ehre war, dass sie ihrem Volk damit einen großen Dienst erwies, und es würde ihr gestattet sein, ihre Wahl unter den jungen Neulingen des Stammes zu treffen, wenn deren Bewährungszeit käme.
    Und als er das Traumblatt nahm, hatte er darauf bestanden, den Status eingeräumt zu bekommen, der normalerweise ihren altgedienten Soldaten und den Matriarchinnen vorbehalten war; er wollte keine Kinderdosis. Sie beobachtete sein Kreisen, wie er sich unaufhörlich in der Taille bog, als ob er bestrebt wäre, etwas in seinem Gehirn herumzuschwenken.
    An den Straßen, an den gekreuzten Zeichen dieser einzelnen Linien, abgenutzt durch Handel, Verkehr und vorbeiziehendes Wissen; schmale Spuren im Staub, blasse Markierungen auf dem braunen Blatt der Wüste. Es war Sommer; die weiße Seite des Zeltes war nach außen gerichtet und die schwarze nach innen. Im Winter war es umgekehrt.
    Er bildete sich ein zu spüren, wie das Gehirn in seinem Schädel rotierte.
    In dem weißen Zelt, das schwarz war, beides gleichzeitig, an der Kreuzung in der Wüste, eine weiß/schwarze Vergänglichkeit wie ein gefallenes Blatt, bevor der Wind es verwehte, zitternd in dem Lufthauch unter der schwebenden Welle, die die steinerne Oberfläche von Bergen war, gekrönt von Schnee und Eis wie gefrorener Schaum in der dünnen Höhenluft.
    Er glitt davon, verließ das Zelt, sodass es unter ihm wegsackte, wurde zum Punkt neben den schmalen Linien im Staub, und die Berge schwammen vorbei, Ocker gekrönt von Weiß; die Spuren und das Zelt verschwanden, und die Berge schrumpften, und die Gletscher und die ausgehungerten Schneefelder des Sommers verwandelten sich in weiße Klauen auf den Felsen, und die gebogenen Ränder drückten sich herein, pressten die Sicht zusammen, sodass die Weltkugel unter ihm zu einem farbigen Felsbrocken, einem großen Stein, Kiesel, Schotter, Sandkorn, Schlickkrümel wurde und sich schließlich im Wirbel eines Sandsturms der großen rotierenden Linse verlor, die ihrer aller Heimat war und die ihrerseits ein Fleck auf einer

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