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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Lebewohl zu sagen. In der Menge, die sich um den Tisch drängte, waren mindestens zehn seiner früheren Geliebten. Ihm kam der vage Gedanke, ob irgendeine Bedeutung dahinter stecken mochte, dass sechs von diesen zehn sich in den letzten paar Jahren entschlossen hatten, das Geschlecht zu wechseln, Männer zu werden – und zu bleiben.
    Gurgeh betrank sich zusammen mit den übrigen, wie es bei solchen Gelegenheiten zur Tradition gehörte. Hafflis hatte versprochen, sie würden Gurgeh ersparen, was sie vor ein paar Jahren mit einem gemeinsamen Freund gemacht hatten. Der junge Mann war bei Kontakt aufgenommen worden, und Hafflis hatte eine Party gegeben, um das zu feiern. Am Ende des Abends hatten sie den Mann nackt ausgezogen und über das Geländer geworfen… obwohl das Sicherheitsfeld schon abgestellt gewesen war. Der Kontakt-Rekrut war neunhundert Meter tief gefallen – sechshundert davon mit leeren Gedärmen –, bevor drei von Hafflis’ vorher dort postierten Hausrobotern in aller Gemütsruhe aus dem Wald unten aufstiegen, ihn auffingen und wieder nach oben brachten.
    Die – demilitarisierte – Schnellangriffseinheit Begrenzungsfaktor hatte an diesem Nachmittag unter Ikroh angelegt. Gurgeh war zu der Transitgalerie hinuntergefahren und hatte sich das Schiff angesehen. Es war einen Drittelkilometer lang und sehr schlank, und es sah einfach aus. Zu einer spitz zulaufenden Nase führten drei lange Blasen wie große Cockpits von Atmosphäre-Flugzeugen, und fünf dicke Blasen umgaben die Taille. Das Heck war stumpf und flach. Das Schiff hatte »Hallo« gesagt, ihm mitgeteilt, dass es ihn zu dem Systemfahrzeug Kleiner Schurke bringen solle, und ihn gefragt, ob er irgendwelche speziellen Wünsche bezüglich seiner Diät habe.
    Boruelal klopfte ihm auf den Rücken. »Sie werden uns fehlen, Gurgeh.«
    »Ganz meinerseits.« Gurgeh schwankte und fühlte sich schrecklich emotional. Wann war es wohl Zeit, die Papierlaternen über das Geländer zu werfen und sie zum Regenwald hinuntertreiben zu lassen? Man hatte die Lichter hinter dem Wasserfall entlang dem ganzen Weg die Klippe hinunter eingeschaltet, und ein Freiballon, dessen Mannschaft offenbar zum größten Teil aus Fans bestand, hatte über der Ebene, die auf der Höhe von Tronze lag, Anker geworfen und für später ein Feuerwerk versprochen. Gurgeh war richtig gerührt gewesen über solche Beweise der Achtung und Zuneigung.
    »Gurgeh«, sagte Chamlis. Gurgeh drehte sich, sein Glas in der Hand, zu der alten Maschine um. Chamlis gab ihm ein Päckchen. »Ein Geschenk«, sagte er. Es war in Papier gewickelt und mit einem Band geschmückt. »Nur eine alte Tradition«, erklärte Chamlis. »Du öffnest es, wenn du unterwegs bist.«
    »Ich danke dir.« Gurgeh nickte langsam. Er steckte das Geschenk in die Jacke. Dann tat er etwas, das er selten bei Robotern tat: Er umarmte die alte Maschine, legte die Arme um ihre Aurafelder. »Ich danke dir von ganzem Herzen.«
    Es wurde dunkler; ein kurzer Regenschauer löschte die Kohlen in der Mitte des Tisches beinahe aus. Aber Hafflis ließ von Versorgungsrobotern Kisten mit alkoholischen Getränken bringen, und sie alle hatten Spaß daran, die Spirituosen auf die Kohlen zu spritzen, um sie am Brennen zu halten. Blaue Flammen verbrannten die Hälfte der Papierlaternen, kokelten die nachtblühenden Schlingpflanzen an, machten viele Löcher in Kleider und versengten den Pelz des styglischen Zähltieres. Blitze zuckten in den Bergen über dem See, der von hinten erhellte Wasserfall leuchtete phantastisch, und das Feuerwerk des Freiballons erntete auf dem ganzen Gebiet von Tronze Applaus. Gurgeh wurde nackt in den See geworfen und spuckte Wasser, als Hafflis’ Kinder ihn wieder herauszogen.
    Kurze Zeit nach Sonnenaufgang erwachte er in Boruelals Bett in der Universität. Er schlich sich davon.
     
    Er sah sich in seinem Heim um. Das Licht des frühen Morgens ergoss sich über die Landschaft um Ikroh. Sonnenstrahlen stachen ins Wohnzimmer, strömten durch die zum Fjord hin gelegenen Fenster herein, durchquerten den Raum und verließen ihn wieder durch die Fenster, die sich auf die bergauf gelegenen Rasenflächen öffneten. Vögel füllten die kühle, stille Luft mit ihrem Gesang.
    Es gab nichts mehr mitzunehmen, nichts mehr zu packen. Er hatte die Hausroboter am gestrigen Abend mit einer Kleidertruhe hinuntergeschickt, aber jetzt fragte er sich, warum er sich die Mühe gemacht hatte. Auf dem Kriegsschiff würde er nicht viele Sachen zum

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