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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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kam es ihm wichtig vor, Kontakt nicht alles wissen zu lassen, etwas zurückzuhalten. Es war ein kleiner Sieg, ein Spielchen, eine Geste auf einem kleinen Brett, ein Schlag gegen die Elemente und die Götter.
     
    Der Große Palast von Groasnachek lag an dem breiten und schlammigen Fluss, der der Stadt den Namen gegeben hatte. An diesem Abend fand ein großer Ball für die bedeutenderen Leute statt, die im Laufe des nächsten halben Jahres an dem Spiel von Azad teilnehmen würden.
    Sie wurden in einem Bodenwagen hingebracht, über breite, von Bäumen gesäumte Boulevards, die von Flutlicht auf hohen Masten beleuchtet wurden. Gurgeh saß hinten in dem Fahrzeug mit Pequil, der schon dort gesessen hatte, als es vor dem Hotel ankam. Ein uniformierter Mann fuhr den Wagen und hatte offensichtlich allein die Kontrolle über die Maschine. Gurgeh versuchte, nicht an Zusammenstöße zu denken. Flere-Imsaho hockte in seiner klobigen Verkleidung auf dem Boden, summte und zog Fusseln von dem pelzigen Bodenbelag der Limousine an.
    Der Palast war nicht so ungeheuer groß, wie Gurgeh erwartet hatte, doch immer noch recht eindrucksvoll. Er war prunkvoll geschmückt und glänzend illuminiert, und von jedem seiner vielen Türme und Türmchen wallten lange, reich bestickte Banner herab, langsame, leuchtende heraldische Wellen vor dem orange-schwarzen Himmel.
    Der Wagen hielt in einem Hof, der von einer Markise überdacht war. Auf langen Reihen vergoldeter Gerüste brannten zwölftausend Kerzen verschiedener Größen und Farben, eine für jede Person, die zu den Spielen gemeldet war. Der Ball selbst wurde für mehr als tausend Leute abgehalten, etwa die Hälfte davon Spieler. Die Übrigen waren hauptsächlich die Partner der Spieler sowie solche Funktionäre, Priester, Offiziere und Bürokraten, die nicht zu konkurrieren wünschten, weil sie mit ihrer gegenwärtigen Stellung vollauf zufrieden waren und so sicher auf ihrem Posten saßen, dass sie davon nicht vertrieben werden konnten, ganz gleich, wie gut ihre Untergebenen bei den Spielen abschneiden mochten.
    Die Mentoren und Verwaltungsbeamten der Azad-Hochschulen – Institutionen, in denen das Spiel gelehrt wurde – bildeten den Rest der Versammlung und waren gleichermaßen von der Notwendigkeit befreit, an dem Turnier teilzunehmen.
    Die Nacht war zu warm für Gurgehs Geschmack – heiße, stehende Luft voller Stadtgeruch. Seine Robe war schwer und unbequem. Gurgeh fragte sich, wann er den Ball würde verlassen können, ohne unhöflich zu erscheinen. Sie betraten den Palast durch einen breiten Eingang, der von massiven Torflügeln aus poliertem, mit Edelsteinen besetztem Metall flankiert wurde. Das Vestibül und die Gänge, durch die sie kamen, glitzerten von Kostbarkeiten, die auf Tischen standen oder von Wänden und Decken hingen.
    Die Leute waren so phantastisch wie ihre Umgebung. Die Frauen, von denen eine große Zahl anwesend war, funkelten vor Schmuck und extravagant geschmückten Kleidern. Aus den Kehrseiten ihrer glockenförmigen Röcke schloss Gurgeh, dass die Frauen ebenso breit wie hoch waren. Sie raschelten beim Gehen und rochen stark nach schweren, aufdringlichen Parfums. Viele Leute, an denen er vorbeikam, drehten den Kopf oder blieben sogar stehen und starrten Gurgeh und den schwebenden, summenden, knisternden Flere-Imsaho an.
    Alle paar Meter entlang den Wänden und zu beiden Seiten jeden Eingangs standen stocksteif grell uniformierte Männer, die Beine leicht gegrätscht, die behandschuhten Hände hinter den bolzengeraden Rücken zusammengelegt, den Blick fest auf die hohe, bemalte Decke gerichtet.
    »Weshalb stehen die da?«, flüsterte Gurgeh dem Roboter auf Eächisch zu, so leise, dass Pequil es nicht hören konnte.
    »Das ist Show«, antwortete die Maschine.
    Gurgeh dachte darüber nach. »Show?«
    »Ja. Es zeigt, dass der Kaiser so reich und bedeutend ist, dass er hunderte von Lakaien, die nichts tun, herumstehen lassen kann.«
    »Wissen das nicht schon alle?«
    Der Roboter schwieg einen Augenblick lang. Dann seufzte er. »Sie haben die psychologischen Hintergründe von Macht und Reichtum wohl immer noch nicht kapiert, Jernau Gurgeh?«
    Gurgeh ging weiter und lächelte mit der Seite seines Gesichts, die Flere-Imsaho nicht sehen konnte.
    Alle Apices, an denen sie vorüberkamen, trugen schwere Roben wie die Gurgehs, reich verziert, ohne protzig zu sein. Den stärksten Eindruck machte es Gurgeh jedoch, dass das ganze Gebäude und jeder, der sich darin befand, in

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