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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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einem früheren Zeitalter verhaftet zu sein schien. Er sah nichts in dem Palast oder an der Kleidung der Leute, das es nicht mindestens tausend Jahre früher auch schon hätte geben können. Während seiner Forschungsarbeiten über die Gesellschaft des Imperiums hatte er Aufzeichnungen von alten Zeremonien gesehen und gemeint, eine recht gute Vorstellung von historischer Kleidung und anachronistischen Umgangsformen gewonnen zu haben. Es kam ihm merkwürdig vor, dass das Imperium trotz seiner offensichtlichen, wenn auch begrenzten technischen Entwicklung den Äußerlichkeiten der Vergangenheit verhaftet geblieben war. Alte Bräuche, Moden und architektonische Formen gab es auch in der Kultur, aber sie wurden nach Belieben – wenn nicht gar aufs Geratewohl – verwendet; sie waren Teil einer breiten Skala von Stilen, nichts, woran man sich streng zu halten hatte.
    »Warten Sie hier, Sie werden angekündigt.« Der Roboter zupfte Gurgeh am Ärmel, und Gurgeh blieb neben dem lächelnden Lo Pequil vor einem Eingang stehen. Dahinter führte eine breite Treppe in den eigentlichen Ballsaal. Pequil reichte einem uniformierten Apex, der oben auf den Stufen stand, eine Karte, und die verstärkte Stimme des Apex hallte in dem weiten Raum wider.
    »Der ehrenwerte Lo Pequil Monenine vom Ministerium für fremdrassige Angelegenheiten, Ebene Zwei A, Imperiumsmedaille, Verdienstorden und Spange… mit Chark Gavant-sha Gernow Morat Gurgee Dam Hazeze.«
    Sie stiegen die breite Treppe hinunter. Die Szene unter ihnen war weitaus eindrucksvoller als alle gesellschaftlichen Ereignisse, an denen Gurgeh jemals teilgenommen hatte. In der Kultur spielte sich dergleichen nicht in einem solchen Maßstab ab. Der Ballsaal glitzerte wie ein großer Teich, in den jemand tausend phantastische Blumen geworfen und dann umgerührt hatte.
    »Dieser Ankündiger hat meinen Namen verhunzt«, sagte Gurgeh zu dem Roboter. Er sah zu Pequil hin. »Aber warum blickt unser Freund so unglücklich drein?«
    »Ich glaube, weil das ›Senior‹ in seinem Namen ausgelassen wurde«, antwortete Flere-Imsaho.
    »Ist das wichtig?«
    »Gurgeh, in dieser Gesellschaft ist alles wichtig.« Düster setzte der Roboter hinzu: »Wenigstens seid ihr beide angekündigt worden.«
    Sie kamen am Fuß der Treppe an. »Hallo da!«, rief eine Stimme. Ein großes, männlich wirkendes Wesen drängte sich zwischen zwei Azadiern zu Gurgeh durch. Er trug bunte, wallende Gewänder, einen Bart, zum Knoten geschlungenes braunes Haar und glänzende, starrende grüne Augen, und er sah aus, als könne er aus der Kultur stammen. Er streckte Gurgeh eine langfingrige, mit vielen Ringen geschmückte Hand entgegen und ergriff Gurgehs Hand. »Shohobohaum Za, erfreut, Sie kennen zu lernen. Mir war auch Ihr Name geläufig, bis dieser Verbrecher oben auf der Treppe seine Zunge darum wickelte. Er lautet Gurgeh, nicht wahr? Oh, Pequil, auch hier?« Er drückte Pequil ein Glas in die Hand. »Hier, Sie trinken dieses Gesöff doch, oder? Hi, Roboter. Hi, Gurgeh.« Er legte Gurgeh den Arm um die Schultern. »Möchten Sie einen ordentlichen Drink, he?«
    »Jernow Morat Gurgee«, begann Pequil verlegen, »erlauben Sie mir, die Vorstellung zu…«
    Aber Shohobohaum Za steuerte Gurgeh bereits durch die Menge am Fuß der Treppe. »Wie geht’s denn so, Pequil?«, rief er dem verdatterten Apex über die Schulter zu. »Alles okay? Ja? Gut. Wir sprechen uns später. Ich möchte diesem anderen Verbannten nur einen kleinen Drink verschaffen!«
    Ein blass gewordener Pequil winkte schwach zurück. Flere-Imsaho zögerte und blieb dann bei dem Azadier.
    Shohobohaum Za drehte sich zu Gurgeh um, nahm seinen Arm von Gurgehs Schultern und meinte mit weniger schriller Stimme: »Ein langweiliges ausgestopftes Hemd, der alte Pequil. Hoffe, es war Ihnen nicht unangenehm, dass ich Sie weggezerrt habe.«
    »Ich werde die Gewissensbisse verkraften.« Gurgeh betrachtete den anderen Kultur-Mann von oben bis unten. »Ich vermute, Sie sind der… Gesandte?«
    »Genau.« Za rülpste. »Hier entlang«, sagte er mit einem Kopfnicken und führte Gurgeh durch die Menge. »Ich habe ein paar Grif- Flaschen hinter einem der Getränketische entdeckt, und ich möchte bei zweien von ihnen andocken, bevor der Kaiser und seine Busenfreunde sie sich unter den Nagel reißen.« Sie kamen an einer niedrigen Bühne vorbei, auf der eine Kapelle laute Musik schmetterte. »Verrückt hier, nicht wahr?«, brüllte der Gesandte Gurgeh zu und schob ihn weiter in den

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