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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Jernau Gurgeh, und das kaiserliche Spielamt wird wissen wollen, was es ist – für die Akten. Ich fürchte, du wirst dir etwas einfallen lassen müssen.«
    »Warum sollte ich? Was kommt es darauf an? Ich kann keinen Posten, keinen Rang gewinnen, ich werde durch das Spiel nicht zu irgendeiner Machtbefugnis gelangen. Welchen Unterschied macht es da, woran ich glaube? Ich weiß, man muss klären, was Menschen in Machtstellungen denken, aber ich will doch nur an dem Spiel teilnehmen.«
    »Ja, nur müssen es die Beamten für ihre Statistiken wissen. Deine Ansichten mögen hinsichtlich der selektiven Eigenschaften des Spiels keinerlei Bedeutung haben. Trotzdem brauchen sie Aufzeichnungen darüber, welcher Typ von Spieler welche Art von Match gewinnt… und außerdem wird es sie interessieren, welcher extremistischen politischen Richtung du anhängst.«
    Gurgeh sah in die Kamera. »Extremistische politische Richtung? – Wovon redest du?«
    »Jernau Gurgeh…«, die Maschine gab ein seufzendes Geräusch von sich, »ein schuldiges System kennt keine Unschuldigen. Wie bei jedem Machtapparat, der glaubt, jeder sei entweder für oder gegen ihn, sind wir gegen ihn. Du wärest ja auch gegen ihn, wenn du darüber nachdenken würdest. Schon allein die Art, wie du denkst, macht dich zu einem Feind. Das mag nicht deine Schuld sein, weil jede Gesellschaft den Personen, die in ihr aufwachsen, in gewisser Weise ihren Stempel aufdrückt. Aber der springende Punkt ist, dass manche Gesellschaften versuchen, diese Wirkung zu maximieren, und manche versuchen, sie zu minimieren. Du kommst aus einer der letzteren Gesellschaften, und du wirst aufgefordert, dich einer der ersteren zu offenbaren. Du wirst mehr Schwierigkeiten haben, Ausflüchte zu finden, als du dir vorstellst; Neutralität ist wahrscheinlich unmöglich. Du kannst nicht entscheiden, keine politische Ausrichtung zu haben; sie ist nichts, was sich von deiner Persönlichkeit ablösen ließe, sie ist eine Funktion deiner Existenz. Ich weiß das, und sie wissen das. Du solltest es lieber akzeptieren.«
    Gurgeh dachte darüber nach. »Kann ich lügen?«
    »Ich nehme an, du meinst damit, ob es ratsam wäre, wenn du falsche Prämissen angibst, und nicht, ob du fähig bist, die Unwahrheit zu sprechen.« Gurgeh schüttelte den Kopf. »Das wäre wohl der klügste Kurs. Doch du wirst feststellen, dass es schwierig ist, etwas zu erfinden, das für sie akzeptabel ist, ohne dass es dich moralisch abstößt.«
    Gurgeh richtete den Blick wieder auf das Hologramm. »Oh, du würdest staunen«, murmelte er. »Wie kann mich etwas abstoßen, wenn ich in dem Punkt sowieso lüge?«
    »Eine interessante Frage. Wenn man davon ausgeht, dass jemand zunächst einmal keine moralischen Bedenken gegen das Lügen hat, besonders wenn es weitgehend das ist, was wir das Lügen im eigenen Interesse nennen, und nicht das in fremdem Interesse oder aus Mitgefühl, dann…«
    Gurgeh studierte das Hologramm und hörte nicht länger zu. Er musste sich unbedingt ein paar frühere Spiele seines Gegners ansehen, sobald er wusste, wer es sein würde.
    Er merkte, dass das Schiff aufgehört hatte zu sprechen. »Ich will dir was sagen, Schiff. Warum denkst du nicht darüber nach? Dich scheint der Gedanke eher zu fesseln als mich, und ich habe sowieso genug anderes zu tun. Kannst du deshalb nicht einen Kompromiss zwischen Wahrheit und Zweckdienlichkeit ausarbeiten, mit dem wir alle glücklich sind, hmm? Ich werde wahrscheinlich allem zustimmen, was du vorschlägst.«
    »Gut, Jernau Gurgeh. Das will ich gern tun.«
    Gurgeh wünschte dem Schiff eine gute Nacht. Er beendete seine Studie des Einzelspielproblems und schaltete dann den Schirm ab. Er stand auf, streckte sich, gähnte. Er schlenderte aus dem Modul in die orange-braune Dunkelheit des Hotel-Dachgartens. Beinahe wäre er mit einem großen Mann in Uniform zusammengestoßen.
    Die Wache salutierte – eine Geste, bei der Gurgeh nie wusste, was er darauf als Erwiderung tun sollte – und übergab ihm ein Blatt Papier. Gurgeh nahm es und dankte dem Mann, der sich wieder auf seinen Posten oben an der zum Dach führenden Treppe begab.
    Gurgeh ging in das Modul zurück und versuchte, die Nachricht zu lesen.
    »Flere-Imsaho?«, rief er, nicht sicher, ob die kleine Maschine noch in der Nähe war. Sie kam aus einem anderen Teil des Moduls ohne ihre Verkleidung und ruhig angeflogen, ein großes, reich illustriertes Buch über die Vogelwelt Eäs tragend.
    »Ja?«
    »Was heißt das?«

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