Das Labor der Esper
Gedanken auf ihn eindrang. Er hatte die Blicke abgewandt und sah aus dem Fenster in den Sonnenschein eines milden Maitages. Aber er konnte sich einfach nicht dieser Person erwehren, die da, in Harris-Tweed gekleidet, ein paar Schritt von ihm entfernt auf der Couch lag. Es hatte eine Zeit gegeben, in der ihn so ein Experiment fasziniert hätte. Jede telepathische Ausstrahlung von einem neuen Gehirn, und sei sie noch so minimal, wäre als neuer Fortschritt gewertet worden. Jetzt sah er darin nur Trivialitäten. Das hatte sein Zusammentreffen mit Barbara bewirkt. Ein Umhertasten, ein krampfhaftes Suchen nach einer Verbindung war unnötig gewesen. Der Kontakt war sofort und vollkommen geschlossen worden – ein Verschmelzen von zwei Wesen. Nach diesem plötzlichen, unerwarteten Erreichen des Zieles, das er schon so lange angestrebt hatte, war es unmöglich, sich mit weniger zufriedenzugeben. Die Experimente, die er während des letzten Vierteljahres durchgeführt hatte, waren ein harter Abstieg aus den schwindelnden Höhen, durch die er mit Barbara geschwebt war. Sein Inneres rebellierte ständig dagegen. Und doch, da niemand sonst Barbaras Potential besaß, mußte er so weitermachen …
Annabel, sprich mit Robbie … denk doch an gestern nacht, Liebling …
Peter zog sich hastig zurück, als die Übertragung Intimitäten zu enthüllen begann. Das Gefühl des Abscheus war jetzt fast körperliche Übelkeit. Tests, bei denen die Versuchspersonen bestimmte Texte übertragen mußten, wie etwa eine Seite aus einem Buch, oder ein Gedicht, waren noch erträglich. Aber eine freie Unterhaltung dieser Art bedeutete die Hölle für ihn.
Er zwang sich wieder zur Konzentration und fand sich in einer Disneyland-Welt, die mit flauschigen rosa Häschen und bunten Vögelchen bevölkert war.
Um Himmels willen! Dieser geistige Ausruf entfuhr ihm, bevor er merkte, was er damit anrichtete.
Die Versuchsperson, Miß Francis Robinson, setzte sich kerzengerade auf und starrte ihn an. Ihr rötliches Gesicht zuckte vor Empörung. »Weg von mir! Wie können Sie es wagen!« Das kurze graue Haar stand drahtig ab, und die Wangen mit den Rougeflecken erinnerten an einen fetten Clown. »Sie haben mich belauscht – Sie Tier von einem Mann!«
»Miß Robinson, ich versichere Ihnen …« Peters Entschuldigung blieb unfertig, als die Clownsmaske zusammensackte und die Frau zu weinen begann. Sie barg den Kopf in den Händen.
Arme, häßliche Alte! dachte er mit leisem Selbstvorwurf. Offensichtlich hatte es jetzt keinen Sinn, weiterzumachen. Er drückte auf den Knopf, der Becky Schofield sagte, daß das Experiment zu Ende war, und stand auf.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« fragte er. »Ein Glas Wasser vielleicht?«
Der schwammige Körper in dem dicken, rostroten Rock zuckte vom Schluchzen. »Gehen Sie, sie ekliger Schnüffler!« keuchte sie. »Sie werden das nie verstehen, nie – Sie – Sie – Mann!«
Die Situation war nicht mehr zu retten, aber er zögerte immer noch, weil er sich verantwortlich für die Pein der Frau fühlte. Sein Ausruf war ganz unfreiwillig gewesen – ein Moment der Ungeduld. Aber das war keine Entschuldigung.
Die Tür ging auf, und ein hageres blondes Mädchen im weißen Laborkittel kam herein. Sie durchschaute die Szene sofort und eilte zur Couch, um Miß Robinson zu trösten. Peter nickte ihr zu und zog sich dankbar zurück.
*
Mrs. Croft, ein zerbrechliches Geschöpf, das noch den Hauch einer längst verblühten Schönheit mit sich herumtrug, spielte nervös mit einem Spitzentaschentuch. Die Forschungsarbeit in Portfield erstreckte sich auf die verschiedensten Versuchspersonen, von denen natürlich viele neurotisch oder exzentrisch waren. Mrs. Croft und Miß Robinson waren über den ans Verrückte grenzenden Okkultismus nach Portfield gekommen, der Frauen ihres Alters oft genug anzog.
Becky Schofield beugte sich über das Bandgerät, als Peter eintrat. »Sofort«, sagte sie und hob kurz das hübsche Gesicht mit dem Adlerprofil, bevor sie sich wieder dem Band zuwandte, das Mrs. Crofts mündlich wiedergegebene Impulse enthielt.
»Ich glaube, es wäre gut, wenn Mrs. Croft zu Miß Robinson ginge – sie ist im Moment ziemlich aufgeregt«, sagte Peter.
Mrs. Croft stand auf und bewegte sich wie ein gefangener Vogel. »Robbie! Was ist mit Robbie geschehen?«
»Nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müssen«, beruhigte Peter sie. »Diese Art von Versuchen ist sehr anstrengend für die betreffenden Personen.
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