Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Labor der Esper

Das Labor der Esper

Titel: Das Labor der Esper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Morgan
Vom Netzwerk:
Ziel …
    Johnny machte eine Rechtswendung und ging ins Wasser. Nach außen hin unterschied sich diese Bewegung in nichts von seinem normalen Verhalten. So hatte er es in diesem Sommer Hunderte von Malen getan. Das Meer war sein Tummelplatz, das Element, das ihn von der bleiernen Schwerkraft der Erde löste. Es war ein ungestümer Freund, der seinen starken jungen Körper knuffte und ihm scharfes Salzwasser ins lachende Gesicht sprühte. Aber heute war es anders als sonst – dumpf und brütend, ölig grüne Wasserzungen leckten an seinen Knöcheln, und sie gingen ihm bald bis ans Knie, als er wie ein Roboter weitermarschierte. Erst als die Wellen seine Brust erreichten, merkte er entsetzt, daß sie ihn verschlingen wollten.
    Das Meer war kein Tummelplatz mehr. Es war ein graugrünes Ungeheuer, das die Welt bis zum Horizont erfüllte, ein hungriges Ungeheuer, das seinen winzigen Körper in die Tiefe sog. Er beschloß umzukehren, bevor es zu spät war. Aber seine Beine gehorchten ihm nicht, sondern gingen weiter. Panische Angst überkam ihn, als er merkte, daß er seinen eigenen Körper nicht mehr beherrschte.
    Er wollte um Hilfe rufen, aber der Schrei erstickte in seiner Brust. Wie seine Beine, so reagierten auch die Stimmbänder nicht mehr auf Befehle.
    Er ging jetzt langsamer. Wellen spritzten ihm ins Gesicht, und er spürte das brennende Salzwasser in den Augen. Als er die Augen schließen wollte, merkte er, daß auch das unmöglich war. Er konnte nicht schwimmen, nur vorwärtsgehen.
    Ölig grünes Wasser drang in seine ungeschützte Nase, als Viktor sich ihm endlich zu erkennen gab. Das Wasser schoß in die Lungen, und in diesem kurzen Moment waren sie eins, in einer schrecklichen Travestie der Verbindung, die Viktor herbeigesehnt hatte.
    Viktor blieb im Gehirn des Jungen, als er ertrank. Dann, als das dunkle Nichts ihn zu umhüllen drohte, zog er sich schnell in seinen eigenen Körper zurück. Eine Intuition sagte ihm, daß niemand den Tod eines anderen miterleben konnte. Wenn er noch länger bei Johnny geblieben wäre, hätte auch er sterben müssen – und gerade jetzt wollte er leben.
    Das Zusammentreffen mit Johnny hätte sein Leben ändern sollen, aber während der letzten Augenblicke vor dem Tod des Jungen war ihm eine völlig neue Lösung seiner Probleme eingefallen. Er hatte versucht, mit einer anderen Persönlichkeit zu verschmelzen, doch das konnte nie mehr sein als ein Ersatz. Jetzt merkte er, daß es nur eine Station auf dem Weg zu seinem Ziel gewesen war.
    Er hatte Johnny bis zu seinem Tode beherrscht, indem er die Identität des Jungen auf ein Minimum reduzierte. Wenn er noch eine Stufe weiterging, konnte er vielleicht das Ich-Bewußtsein seines Opfers ganz ausschalten. Und dann besaß er vollkommene Kontrolle über Körper und Geist des Betroffenen.
    Diese Spekulation verwickelte Viktor in Fragen über Identität und Bewußtsein, die bisher zum metaphysischen Bereich gehört hatten, nun aber lebenswichtig für ihn wurden. Wenn er den Körper-Geist-Komplex einer Person vollkommen beherrschte, wurde er doch in gewisser Hinsicht diese Person selbst? Und dann mußte es ihm gelingen, seinem alten, nutzlosen Körper zu enfliehen? Es war ein schillernder Traum, ein goldenes Versprechen. Es würde Schmerzen und Mühen kosten, aber die Flucht aus seinem fleischlichen Gefängnis war es ihm wert. Auch Geduld brauchte er. Denn diesen Schritt durfte er nicht im Dunkeln tun. Jeder Zoll des Weges mußte sorgfältig aufgezeichnet sein. Jede Falle mußte untersucht werden. Es durfte keine Wiederholung des verheerenden Fehlers geben, den er bei Johnny gemacht hatte.
    Mit seinen Versuchen hatte er Glück. Die Straßen jeder Stadt wimmelten von menschlichen Versuchskaninchen. Durch sein Erlebnis mit Johnny gewarnt, zeigte er sich nie persönlich. Er war zufrieden, wenn die anderen von Zuneigung und Verständnis träumten, und nahm ihnen auf leichte, bequeme Art das, was er für sich brauchte. Die Mehrzahl der Gehirne war im wechselnden Maße auf sein Tasten und seine Kontrolle ansprechbar. Ausnahmen waren Angehörige eines seltenen Typs, deren Gehirne offenbar von einer undurchdringlichen Schale umschlossen waren und die nicht einmal rudimentäre Psi-Kräfte zu besitzen schienen. Alle anderen besaßen eine gewisse Psi-Empfänglichkeit und strahlten Gedanken in die Psi-Ebene aus. Aber höchstens einer von zehntausend war sich seiner Kräfte bewußt oder konnte sie kontrollieren. Der größte Teil der Psi-Ausstrahlung

Weitere Kostenlose Bücher