Das Labyrinth der Zeit
stehen.
Keiner von ihnen sagte etwas.
Vor dem Gang ragte eine Art Gehäuse ins Leere, etwa so groß wie eine Aufzugkabine und aus dem gleichen Plexiglas wie die Barriere im Schacht. Konstruiert als Stahlgerüst, in das die Scheiben eingepasst waren. Selbst der Boden war durchsichtig.
Von hier aus bot sich eine perfekte Sicht auf alles, was dahinterlag: ein gewaltiger, kreisrunder Innenraum, der aus dem Berg herausgesprengt und -gehauen worden war. Etwa zehn Meter hoch und mit einem Durchmesser von mindestens dreißig Metern. Die Aussichtskabine befand sich etwa in Höhe der Decke, sodass man den Raum von oben überblickte.
Das hier, war Travis sich sicher, war einst die Erzlagerstätte gewesen. Diese Höhle war zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Bergarbeitern mit Dynamit und Spitzhacken in den Berg getrieben worden. Dieser Gedanke aber beschäftigte ihn nur flüchtig, weil zwei andere Dinge seine Aufmerksamkeit erregten.
Zum einen die zweite Pforte, die ebenso seltsam vertraut wie fremdartig anmutete. Sie befand sich in gerader Linie gegenüber der Plexiglasbox, in der Nähe des äußersten Punkts der runden Höhle; von der Größe, Form und Beschaffenheit her das exakte Ebenbild ihres Gegenstücks in Wyoming. Ein mitten aus der Luft herausgerissenes, liegendes Oval, drei Meter breit und einen Meter hoch, das die Öffnung zu einem Tunnel bildete, der endlos lang irgendeinem unbekannten Fluchtpunkt entgegenstrebte. Der Tunnel selbst entsprach in der Höhe exakt dem Oval, zog sich aber an den Seiten gleich am Anfang stark zusammen, sodass er kreisrund war. Öffnung wie auch Tunnel bestanden beide aus einer Art Plasma – das auf sonderbare Art zu flackern und zu züngeln schien, wie eine Flamme an der Unterseite eines Bretts.
Einzig durch ihre Farben unterschied sich diese Pforte von ihrem Gegenstück, aber dies so extrem, dass es geradezu verstörend wirkte. Travis starrte hinüber, ohne zu blinzeln. Der Tunnel war blutrot, und alle paar Sekunden züngelten und flackerten in ihm pink schimmernde Ranken aus Licht umher. Diese Farben erstreckten sich bis zu der breiten Öffnung und ihrem Rand hin, einer zehn Zentimeter starken Umsäumung, die grell weiß leuchtete.
All dies verbreitete genug Licht, um den Boden unten in der Höhle zu beleuchten.
Der als Zweites Travis’ Aufmerksamkeit erregte.
Weil er mit toten Insekten bedeckt war, die etwa so groß waren wie menschliche Hände.
Er hatte sie schon von der untersten Treppe aus gesehen, aber nicht identifizieren können. Einzelheiten waren nur dort zu erkennen, wo das Licht am hellsten war – auf den zehn bis zwölf Metern um die Pforte herum. Rissige Panzer, zerknickte Flügel und segmentierte, chitinartige Leiber – die Kammer mochte hüfthoch damit angefüllt sein, soweit Travis es zu überblicken vermochte.
Noch etwas anderes fiel ihm auf: Das Plexiglas der Box war ebenso zerkratzt wie der Boden unter der Treppe – und wieder nur von außen.
Da bekam er mit, wie Bethany, die links hinter ihm stand, auf einmal immer schneller und zunehmend stoßweise atmete. Sie hatte Travis einmal erzählt, wie er sich jetzt entsann, wie sehr sie sich vor Insekten ekelte. Was für einen tiefen, irrationalen Abscheu sie ihr einflößten – es war eine ausgewachsene Phobie, gegen die sie aber in keiner Weise anzugehen beabsichtigte. Jetzt trat sie neben ihn und deutete zu einer Stelle etwa auf halbem Weg zwischen ihnen und der Pforte. Er folgte mit dem Blick ihrem Finger. Und sah, was sie meinte.
Eins der Insekten war am Leben. Es lag oben auf den Überresten seiner toten Artgenossen, schwach mit den durchscheinenden Flügeln schlagend. Äußerlich hatte es Ähnlichkeit mit einer Hornisse: fadendünne Taille, aus mehreren Teilen bestehende Netzflügel, ein borstenbewehrter Hinterleib mit einer Art Stachel am Ende. Vom Kopf bis zum Stachel mochte das Biest gut und gern fünfzehn Zentimeter messen.
Etwa zehn Meter weiter links fiel Travis ein weiteres Geschöpf ins Auge, das unverkennbar lebte. Schon nach wenigen Sekunden hatte er noch drei entdeckt.
Bethany brachte mühsam ihre Atmung unter Kontrolle, ehe sie sprach. «Ich dachte, sie könnten nicht hindurchkommen.»
«Das können sie auch nicht, nicht direkt», erwiderte Dyer. «Wie sie hierhergelangen ist kompliziert. Da kommen die schon erwähnten Parasitensignale ins Spiel, die von Insekten genau dieser Art vom anderen Ende des Tunnels aus übermittelt werden. Garner hat es mir so beschrieben, dass die
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