Das Labyrinth der Zeit
ist der Ort, an dem sie das zu bewerkstelligen versuchten. Am Boden dieser Schachtanlage haben sie sie erschaffen – die zweite Pforte.»
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Dritter Teil
Die Zuhaltung
31
Paige setzte zum Sprechen an, bekam aber kein Wort heraus. Öffnete den Mund noch ein zweites und drittes Mal, aber jedes Mal mit demselben Ergebnis. Schließlich trat sie einfach neben Travis an das Geländer und starrte hinab in die Grube. Bethany tat es ihr gleich. So standen sie da und beobachteten das Wechselspiel des Lichts unten in der Tiefe, das in träge pulsierendem Rhythmus mal heller, mal schwächer wurde.
Als Paige ihre Stimme endlich wiedergefunden hatte, brachte sie kaum mehr als ein Flüstern zustande. «Die Farben sind anders.»
«Fast alles hier ist anders», sagte Dyer. «Trotz aller Bemühungen, das Original so exakt wie möglich zu duplizieren.»
«Kommen Entitäten heraus?», fragte Travis.
«Nein. Aber dafür andere Dinge.»
Alle drei wandten sich zu Dyer um. Sahen ihn mit leicht aufgerissenen Augen an.
«Dies vorab», stellte Dyer klar, «alles, was ich weiß, stammt von Garner. In Border Town selbst bin ich natürlich nie gewesen. Kenne also die erste Pforte nicht aus eigener Anschauung – ebenso wenig wie diese hier. Die Pforte, um die Sie sich kümmern, hat Garner mir erklärt, ist eine Öffnung zu einer Art Wurmloch, wie auch immer dieser Begriff im weitesten Sinn definiert ist.»
Paige nickte.
«Er hat auch gesagt, dass dieses Wurmloch zu einem bestimmten Zweck genutzt wird», fuhr Dyer fort. «Irgendwer da draußen, oder auch irgendwas, hat es entweder selbst erschaffen oder sich bloß nutzbar gemacht, um damit die Gegenstände zu transportieren, die Sie Entitäten nennen.»
«So ungefähr», bestätigte Travis.
«Na ja, die zweite Pforte hat eine ganz andere Sorte Wurmloch angezapft», sagte Dyer. «Eine gewöhnlichere Sorte möglicherweise, einigen der Wissenschaftler zufolge, die an dem Projekt beteiligt waren. Primordial , das war der Ausdruck, den sie benutzt haben. Ein natürliches Wurmloch, das sich aus der Energie des Urknalls selbst gebildet haben könnte. Das Universum, heißt es, könnte voll solcher Löcher sein. Und zumindest bei diesem hier kommen keine physischen Objekte hindurch.»
«Was kommt denn stattdessen heraus?», fragte Bethany.
«Tonübertragungen», antwortete Dyer. «Parasitensignale, so hat Garner sie genannt.»
Travis wechselte bestürzte Blicke mit Paige und mit Bethany.
Dyer entging ihre Reaktion nicht. «Sie haben sie also auch gespürt.»
Alle drei nickten stumm.
«Was das genau ist, weiß niemand», sagte Dyer. «Man hat die Theorie aufgestellt, dass dieses Wurmloch am anderen Ende mit einem Ort verbunden ist, wo es Leben gibt. Insekten oder so was in der Art, möglicherweise. Wenn ich das richtig verstanden habe, würden sich solche Lebensformen evolutionär weiterentwickeln, um sich den Tunnel nutzbar zu machen, wenn sie dazu in der Lage wären. So wie Lebewesen hier bei uns auf der Erde im Lauf der Evolution Augen ausgebildet haben, um das Sonnenlicht zu nutzen, oder Ohren, um dasselbe mit den Schallwellen in der Luft zu tun. Die Geschöpfe, um die es hier geht, könnten zwar den Kanal nicht körperlich passieren, aber natürliche Signale hindurchschicken. Woraus sie auf verschiedenste Art und Weise Nutzen ziehen könnten und –»
Er verstummte. Runzelte die Stirn. «Sehen Sie, diese Pforte ist wahnsinnig gefährlich, und diese Gefährlichkeit nimmt zu, wenn sie nicht beaufsichtigt wird, aber darum kann ich mich später kümmern. All das ist aber nicht der Grund dafür, warum Garner mich eingeweiht hat. Deswegen bin ich nicht hier. Begnügen Sie sich vorerst mit der Information, dass diese zweite Pforte nicht das von allen erhoffte Ergebnis erbracht hat. Es gab keine Portalstimmen, und es hat bei der Erschaffung auch niemanden auf die Art erwischt wie Ruben Ward beim ersten Durchlauf. All das kam bei diesem zweiten Mal nicht vor. Weil sie eben einen anderen Tunnel angezapft haben. Trotzdem erhielten sie dadurch, dass sie das Ding hier geöffnet haben, die Antworten, nach denen sie gesucht hatten. Eher indirekt, nehme ich an. Sie erfuhren dadurch, was wirklich los war.»
Er schloss die Augen und massierte sich mit gequälter Miene die Nasenwurzel, während er kurz nachdachte. «Ich werde Ihnen alles erzählen, was ich weiß. Zurzeit sehe ich keine andere Möglichkeit. Wenn ich bei meiner Ankunft hier noch welche von den anderen
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