Das Labyrinth der Zeit
menschenleer.
Travis stieg einen Stock tiefer auf das ungleich geräumigere Hauptdeck. Etwa ein Viertel davon erstreckte sich nach vorn, vom Fuß der Treppe aus, an der er stand; alles Übrige befand sich im hinteren Teil des Flugzeugs.
Er untersuchte erst den vorderen Teil. Weitere leere Büros und eine weitläufige Bordküche, die an die Küche eines Restaurants erinnerte. Alle Töpfe, Schüsseln und sonstigen Gerätschaften waren in verschlossenen Schränken verstaut, und es brannte kein Licht. Wer auch immer sonst für das leibliche Wohl des Präsidenten zuständig war, auf dieser Reise war er offenbar nicht mit dabei.
Travis kehrte zu der Treppe zurück und eilte weiter in den hinteren Teil, wo er die ersten Passagiere entdeckte, seit er an Bord gekommen war. Hinter einem kurzen Flur befand sich eine große Kabine, knapp zwanzig Meter lang, die sich von der Treppe aus bis etwa zur Mitte des Flugzeugs erstreckte, beidseitig bestückt mit Reihen breiter, bequem wirkender Sessel; vermutlich die Standardausstattung der ersten Klasse an Bord einer 747. Es mochten achtzig bis hundert Sessel sein, schätzte Travis. Bei normalen Reisen saßen hier vermutlich die Vertreter der Presse sowie Mitarbeiter des Präsidenten oder sogar Minister und andere hohe Beamte, die den Commander in Chief begleiteten.
Jetzt aber waren alle Sessel unbesetzt, bis auf acht.
Travis entdeckte auf Anhieb die beiden Männer, die kurz zuvor aus der Tür getreten waren, um einen Blick auf die Hubschrauber zu werfen. Beide saßen jetzt auf Fensterplätzen, von denen aus sie die Fortschritte der Marines im Auge behalten konnten. Die anderen sechs sahen nicht viel anders aus als die ersten beiden. Es waren lauter Männer zwischen vierzig und sechzig, sichtlich hartgesottene Typen, Travis’ Eindruck nach, die nun langsam körperlich nachließen. Als wären sie einen Großteil ihres Lebens Soldaten oder Außenagenten gewesen und erst seit kurzer Zeit in ein gehobeneres Arbeitsumfeld gewechselt. Möglicherweise waren es Geheimdienstler.
Travis ging den Gang hinab an ihnen vorbei, betrat einen etwa zwei Meter breiten Flur und stieß dort auf eine breite, offene Tür auf der linken Seite. Er warf einen Blick hinein. Hier befand sich ein Konferenzraum mit einem langen Tisch aus glänzend poliertem Holz und großen, lederbezogenen Sesseln, die wahllos um ihn herumstanden.
Entlang der rückwärtigen Wand, hinter dem Tisch, war eine Ablage aus Granit angebracht.
Auf der Ablage waren Portalentitäten aufgereiht, und auf einer niedrigen Krankentransportliege direkt davor lag ein toter Mann.
Travis trat in den Raum und ging zu dem Toten hinüber. Er erkannte den Mann sofort. Es war ein Techniker aus Border Town namens Curtis Moyer. Seiner speziellen Aufgaben wegen hatte er großteils in den untersten Regionen des Komplexes zu tun, knapp oberhalb von B51. Wo er sich, so stand zu vermuten, wohl auch am Morgen aufgehalten hatte, als die Bunkerknacker-Bombe in Border Town eingeschlagen war.
Lieber Gott, er hatte die Explosion also überlebt. Weil er sich tief genug darunter befunden hatte, ähnlich wie Travis und die anderen sich weit genug oberhalb befunden hatten, und wahrscheinlich noch dazu auf der nördlichen Seite des Komplexes, die nicht eingestürzt war. Dennoch war er nicht unverletzt geblieben: ein Bein war blutig und zerschunden, offenbar mehrfach gebrochen, und auch seine Schulter schien ausgerenkt zu sein. Darüber hinaus hatte er wohl auch innere Verletzungen und Quetschungen davongetragen, die vermutlich letzten Endes tödlich waren. Nun lag er mit glasigen, leblos nach oben starrenden Augen da.
Doch er hatte noch gelebt, als er von den Greiftrupps gefunden wurde, die per Black Hawks am Schauplatz eingeschwebt waren – und sie hatten ihn auch noch eine Weile am Leben erhalten. Seitlich an der Transportbahre ragte ein Infusionsbaum in die Höhe, von dem drei verschiedene Infusionsbeutel herabbaumelten, darunter Morphium. Travis hob den Blick von Moyer zu den Entitäten auf der Granitablage – offenbar die gesamte Ausbeute, die die Eindringlinge aus den Trümmern geborgen hatten, wenigstens bis zu dem Zeitpunkt, als Air Force One den Weiterflug hierher angetreten hatte. Jetzt begriff Travis, warum sie Moyer so lange wie möglich am Leben erhalten hatten: Um ihn zu den sichergestellten Entitäten zu befragen. Genau das bezeugten auch die Zettel mit kurzen Notizen, die vor jedem einzelnen Stück lagen. Vielleicht hatte man ihm die
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