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Das Labyrinth der Zeit

Das Labyrinth der Zeit

Titel: Das Labyrinth der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Patrick
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unordentlich, dass der Rand der untersten Schicht offen lag. Diese einzelne Lage konnte Travis mühelos entzweireißen, dann entfernte er alle drei Streifen Klebeband. Carrie schnappte japsend nach Luft, seit Stunden hatte sie nur ganz flach atmen können.
    «Haben Sie eine Schusswaffe hier?», flüsterte Travis.
    Carrie nickte.
    «Können Sie damit umgehen?»
    Carrie nickte erneut und verdrehte leicht genervt die Augen, als empfände sie die Frage fast als Beleidigung. Ein sehr gutes Zeichen.
    Travis ließ rasch noch einmal im Geist Revue passieren, was er bislang vom Grundriss der Hütte gesehen hatte. Ein Umstand war besonders bedeutsam: Es gab keine Hintertür. Der einzige Weg herein oder hinaus führte also durch die Tür, die er und Paige benutzt hatten.
    Das war günstig.
    Er blickte Carrie wieder direkt an, während er sich daranmachte, auch ihre restlichen Fesseln zu lösen.
    «Wir können es schaffen, lebend hier rauszukommen», flüsterte er, «aber dazu müssen Sie genau das tun, was ich sage.»
    Während er das Klebeband von ihren Handgelenken entfernte, fing er an, ihr seinen Plan darzulegen.

9
    Irgendetwas stimmte da nicht, das spürte Dominic instinktiv. Die Entscheidung des Lockvogels, zwischendurch auf die Toilette zu gehen, fiel absolut aus dem Rahmen des Üblichen. Sicher, die Frau war in diesem Metier kein Profi – Dominic hatte keine Ahnung, wo seine Auftraggeber sie aufgetrieben hatten, doch es war wohl davon auszugehen, dass sie aus ihren eigenen Reihen stammte. Vermutlich aus den ganz oberen Rängen. Sie war jemand oder zumindest die Schwester oder Mutter von jemandem. Für einen derart heiklen Einsatz kam nur eine Person in Frage, auf deren Loyalität hundert Prozent Verlass war.
    Was für ihre sonstige Eignung aber nicht gerade zutraf. Offenbar hatte sie null Erfahrung darin, als Double für jemand anderen zu agieren. Aber bei wem war das schon anders, von verdeckten Ermittlern der Polizei und getarnt operierenden Geheimagenten einmal abgesehen? Die nervliche Belastung bei einer solchen Aktion war nicht zu unterschätzen. Zumal es den meisten Menschen schwerfiel, sich durchgehend zu verstellen. Schon das Erzählen einer kleinen Lüge konnte alle möglichen Stressreaktionen auslösen, und diese Frau hier musste immerhin in größtem Maßstab lügen.
    Dessen ungeachtet hatte sie ihre Sache zunächst gut gemacht. Sie war, soweit Dominic es beurteilen konnte, genau dem Drehbuch gefolgt. Ihre Aufgabe bestand darin, die Besucher zum Reden zu bringen; ihnen bei einem zwanglosen, vertraulichen Gespräch alles zu entlocken, was sie über Skalar wussten – was auch immer das genau sein mochte. Später, nachdem der Greiftrupp die beiden in seine Gewalt gebracht hatte, wäre immer noch Zeit, sie eingehender zu verhören, wobei aber eine solche Befragung, wie Dominic aus eigener, langjähriger Erfahrung wusste, nicht immer die gewünschten Ergebnisse zutage förderte. Durch Folter konnte man jemanden zwar dazu bringen, ein Computerpasswort oder die Kombination eines Safes preiszugeben – Auskünfte also, die sich umgehend verifizieren ließen –, an tiefere Geheimnisse aber gelangte man auf diese Weise nur selten. Zusammenhängende Auskünfte allgemeinerer Art ließen sich mit Gewalt eben nur schwer erhalten. Man konnte keine Antworten erzwingen, wenn man nicht einmal wusste, wonach man genau fragen musste.
    Deswegen der Lockvogel.
    Und zunächst war auch alles glattgelaufen. Bis die Frau dann zur Toilette ging.
    Vielleicht fühlte sie sich dem Druck zwischenzeitlich nervlich nicht mehr gewachsen. Vielleicht brauchte sie eine kurze Auszeit, um sich zu beruhigen und sich das Gesicht mit etwas kaltem Wasser zu besprengen. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
    Vielleicht.
    Eine andere Erklärung für diese Abweichung vom Skript wollte Dominic nicht einfallen. Falls es einen anderen Grund gab, konnte das nichts Gutes bedeuten. Im Gegenteil, dann wäre etwas gewaltig schiefgelaufen.
    Er sprach in das Mikro der Kommunikationseinheit, die ihn mit den anderen verband. «Was sehen Sie?»
    Der Anführer des Trupps, der rings um die Hütte postiert war, antwortete leise: «Nichts, was Sie nicht auch sehen.»
    «Das gefällt mir nicht», sagte Dominic.
    «Mir auch nicht. Halten wir uns weiter in Bereitschaft – vorerst.»

    Nachdem er Carrie seinen Plan im Flüsterton erläutert hatte, half Travis ihr auf die Beine. Sie ging kurz in die Knie, weil ihre Gelenke nach der langen Fesselung offenbar steif

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