Das Labyrinth der Zeit
sich dann wieder vor. «Einen Verdacht hatte ich auch, aber ganz sicher war ich mir nicht. Woher wusstest du es?»
«Sie hat nicht auf deinen Nachnamen reagiert. Die echte Carrie hätte auf jeden Fall reagiert, wo sie deinem Vater doch früher mal nahestand.»
«Ich fand das viele Streusalz draußen vor der Tür übertrieben. Ein Pfad zum Auto hätte es auch getan. Jetzt ist natürlich klar, warum da so viel gestreut war.»
Travis nickte wieder. Irgendwann am Vorabend musste eine Gruppe Leute gekommen sein. Vielleicht hatten sie auf der Straße geparkt und sich der Hütte von der Rückseite her genähert, um keine auffälligen Fußspuren zu hinterlassen. Vielleicht hatte die Frau – der Lockvogel – allein an der Tür geklingelt, bis Carrie Holden geöffnet hatte. Alles Weitere war dann vermutlich sehr schnell und brachial über die Bühne gegangen, und dabei waren massenhaft Fußspuren vor der Haustür zurückgeblieben – die man hinterher durch das Streusalz beseitigt hatte.
Travis deutete auf die Frau im Sessel. «Fessle sie mit irgendetwas. Ich suche Carrie.»
Paige eilte zu einem offenen Kleiderschrank nicht weit von der Haustür. Selbst von hier aus konnte Travis darin diverse Kleidungsstücke erkennen, langärmelige Hemden etwa, die problemlos als improvisierte Fesseln zu gebrauchen waren.
Er wandte sich um und spähte am WC vorbei den Flur hinunter. Am hinteren Ende befanden sich zwei Türen, die eine links, die andere rechts, beide offen. Das eine Zimmer war dunkel, in dem anderen brannte Licht.
Er hatte es unterlassen, schriftlich zu fragen, ob Carrie Holden noch lebte. Zum einen, weil alles so schnell gehen musste, aber auch weil er davon ausging, dass sie noch am Leben war. Wer auch immer ihm und Paige eine derart ausgeklügelte Falle gestellt hatte, musste wohl Wert darauf legen, sie lebend in seine Gewalt zu bekommen – schließlich wäre es viel leichter gewesen, das Feuer auf ihren Jeep zu eröffnen, sobald sie in der Auffahrt haltmachten. In dem Fall hätte man sich außerdem die Mühe sparen können, dieses recht passable Double als Lockvogel aufzubieten. Woraus folgte, dass die Angreifer wohl auch Carrie am Leben lassen würden – je mehr Tangent-Gefangene, desto besser.
Er machte sich auf den Weg durch den Flur.
Ein dunkles Zimmer, ein beleuchtetes Zimmer.
Die Frau hatte offenkundig in dem Zimmer gewartet, in dem jetzt Licht brannte. Sie hatte es angeschaltet, als er an der Tür klingelte. Es war davon auszugehen, dass Carrie sich ebenfalls in jenem Zimmer befand: Die andere Frau hatte sie vermutlich nicht unbewacht gelassen.
Travis kam der Gedanke, dass die Frau ihn womöglich belogen hatte, was den Spähtrupp betraf, der das Haus im Auge behielt – diese Leute könnten problemlos auch hier im Inneren auf der Lauer liegen. Zum Beispiel in einem der beiden Zimmer am Ende des Flurs. Waffentechnisch wäre er in dem Fall hoffnungslos unterlegen, da lohnte es sich eigentlich kaum, seine SIG zu ziehen. Er zog sie dennoch. Sollte gleich jemand das Feuer auf ihn eröffnen, wollte er sich zumindest noch revanchieren so gut es ging.
Hinter sich konnte er hören, wie Paige die Frau an den Händen und den Füßen fesselte. Die Geräusche dabei waren zum Glück leise und uneindeutig. Rein akustisch wahrgenommen hätte es auch jemand sein können, der unruhig auf einem Sitzmöbel umherrutschte.
Travis legte zügig die letzten drei Meter durch den Flur zurück, griff durch die offene Tür in das dunkle Zimmer, dorthin, wo sich der Lichtschalter befinden musste, und betätigte ihn.
Ein Arbeitszimmer. Ein großer Schreibtisch aus Eiche, darauf ein Laptop, eine Lampe mit einem Schirm aus grünem Glas und einige Blätter Papier. Kein Schrank. Auch sonst kein Schlupfwinkel, in dem sich jemand hätte verbergen können.
Travis schnellte herum und blickte in den anderen Raum. Carries Schlafzimmer. Größer als das Arbeitszimmer. Mit einem begehbaren Kleiderschrank an der hinteren Wand, voll Kleidung und diverser Schachteln und Kartons. Niemand hielt sich hier versteckt, wie auch im übrigen Zimmer nicht. Nur Carrie Holden selbst hockte am Boden neben dem Bett, mit Klebeband gefesselt und geknebelt, und starrte mit weit aufgerissenen Augen zu ihm hoch.
Er steckte seine Pistole weg und ging zu ihr. Als er sie ansah, legte er warnend einen Finger vor die Lippen, dann kniete er vor ihr nieder.
Als Erstes entfernte er das Klebeband aus ihrem Gesicht. Es war zwar dreifach gewickelt, aber so
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